Bekämpfung der Überschwemmungen
Der in Montlingen aufgewachsene Dr. Karl Dux hatte durch die Überschwemmungen von 1886, 1888 und 1891 erlebt, wie verschiedene Wohn- und Stallräume des Dorfes durchflutet und neue Dammbrüche zu befürchten waren. Er sah auch das Ausmass der Überschwemmungen von 1888 und 1891 in Koblach, Mäder und Altach.
Im Jahre 1900 hatte er seine juristischen Studien abgeschlossen und übernahm die Redaktion des Rheint. Allgemeinen Anzeigers (Rheintalische Volkszeitung) in Altstätten. Das Rheinproblem beschäftigte ihn schon früh, und die Presse bot ihm nun Gelegenheit, sich für die steuerlich so schwer belasteten Rheingemeinden, vorab für Oberriet, einzusetzen.
Zum grossen Leidwesen der schon überlasteten Bürger erfuhr der Steuerkarren eine weitere Aufstockung. Zur alten Wuhrschuld und Rheinsteuer gesellte sich 1894 noch der Kanalperimeter, für unsere Gemeinde Mehrausgaben von jährlich über 60000 Franken, was das Doppelte der damaligen Polizei- und Armensteuer ausmachte. Unter diesen Umständen war an die Bezahlung der alten Rheinwuhrschuld nicht mehr zu denken, obwohl die Kantonsbehörde von einem Erlass nichts wissen wollte. Da die Initiative zur Abwälzung dieser Last nicht von den Rheingemeinden ausgehen konnte, setzte sich Dr. Karl Dux mit dem Melser Gemeindeammann und mit Nationalrat Hidber in Verbindung, der 1901, nach erfolgter Rücksprache mit den Rheingemeinden, die Ortsgemeinde Mels zum einstimmigen Beschluss veranlasste, es sei an die Regierung zu Handen des Grossen Rates eine Petition einzureichen, dass die alte Rheinwuhrschuld erlassen oder wesentlich reduziert werde.
Mit Schreiben vom 6. Mai 1902 lehnte die Regierung das Gesuch ab, sollten doch erst einige Millionen für die Toggenburgerbahn beschlossen und ein erträglicheres Steuergesetz eingebracht werden. Und es kam zum «Kuhhandel», was man damals den Rheintalern vorwarf. Die Initianten Dux und Hidber drohten mit geschlossener Opposition der Rheintaler und Oberländer gegen die beiden Regierungsvorhaben, falls man für die Rheintaler kein Verständnis zeige. Dies half. Die Regierung war gewillt, auf die Zins- und Zinseszinsschuld von 961'000 Franken zu verzichten. Aber durch Kantonsratsbeschluss vom 19. November 1902 wurde allen drei Wünschen entsprochen, die Toggenburgerbahn wurde saniert, die Rheintaler wurden von der Rheinwuhrschuld befreit, und der Regierung wurde das neue Steuergesetz zugebilligt.
Aus 'Geschichte des Reichshofs Kriessern' (1979).
Gasthaus Rössli
Das Gasthaus Rössli wurde zwischen 1800 und 1802 von Hofammann Johannes Lüchinger erstellt. Möglicherweise war zuvor bereits ein anderer Bau 'W[eisses] Rössli' vorhanden gewesen.
Das Rössli ging um 1806 an die Söhne von Johann Jakob Lüchinger (d.h. an Johannes und an Jakob Lüchinger). Ab 1818 gehörte es Johannes Lüchinger alleine. Als dieser 1835 in das später 'alte Post' genannte Haus umzog ging das Rössli 1836 an den Schwiegersohn Carl Heinrich Sartory, Sohn des Oberst Karl Fidel von Sartory. 1869 ging das Haus an dessen Sohn Emil über. Dieser verkaufte dann das Haus 1888 an Valentin Büchel, welcher es dann 1903 an Carl Dux weiterverkaufte. 1931 ging das Rössli dann an Emil Mattle und bereits 1933 an Pius Zäch-Savary. Der quadratische Brunnen auf dem Platz vor dem Haus diente ursprünglich als Pferdetränke. Er stand dort bis nach 1950. Die zwei grossen Wirtschaftsgebäude wurden 1957 und 1976 abgebrochen. Seit dem Abbruch der beiden Scheunen existierte zwischen dem Rössli und dem Rothus eine hässliche Lücke. Am 8. Dezember 2003 fiel das (inzwischen etwas vernachlässigte) Gasthaus dann einem Brand zum Opfer.
Buch 'Dreissig Jahre Oberriet (1900 - 1930)'
Im folgenden wird das Buch zum Teil zusammengefasst, zum Teil zitiert (Kursivschrift)."
Einleitende Bemerkungen
Wenn der Verfasser der nachstehenden Ausführungen einiges aus der wirtschaftlichen
und kulturellen Entwicklung der Gemeinde Oberriet während den drei letzten Dezennien und
gleichzeitig auch aus seiner während 30 Jahren dem allgemeinen Wohle seiner Heimatgemeinde
gewidmeten öffentlichen Tätigkeit zur Darstellung zu bringen versucht, so geschieht dies
vorerst und hauptsächlich, um das tatsächliche Geschehen der Gemeinde im Zeitraume von
1900 bis 1930 in einigen losen Bildern auch für die Zukunft festzuhalten. Gilt schon im
allgemeinen, daß die Geschichte, das Gewordene, der beste Wegweiser für die Zukunft, das
Kommende, ist, so trifft dies auch hier im Kleinen zu, zumal heute, in unserer rasch lebenden
und rasch vergessenden Zeit.
Dabei sollen im Rahmen der folgenden Ausführungen auch einmal die Wesenheit des Allgemeinen
Hofes Oberriet und seine Zweckverbundenheit mit der politischen Gemeinde ihre geschichtliche
und rechtliche Darlegung finden.
Das ist der eine Zweck der Darstellung.
Und der andere soll meiner persönlichen Salvierung dienen.
Bei meinem öffentlichen Abgange im Jahre 1930 hat man meiner öffentlichen Tätigkeit nicht
immer die Gerechtigkeit willfahren lassen, auf die ich glaubte Anspruch erheben zu dürfen. ...
Erinnernd sei bemerkt, dass ich von 1903-1912 und von 1924-1940 dem Gemeinderate, von
1903-1924 dem Realschulrate, von 1902-1912 dem Grossen Rate und von 1915-1924 der
Rechnungskommission der politischen Gemeinde angehörte. Von 1909-1924 war ich Präsident des
Realschulrates, von 1924 bis 1930 Gemeindeammann. ...
Um diese Zeit hatte ich meine akademischen Studien beendet und hatte mit Neujahr 1900 die
Redaktion des "Rheintaler Allgemeinen Anzeigers", des Vorgängers der heutigen "Rheintalischen
Volkszeitung", Altstätten, übernommen. In Montlingen aufgewachsen, kannte ich die Rheinnot und
die Rheinsorgen nicht nur aus den Erzählungen der alten Montlinger, sondern auch aus eigener
Wahrnehmung zur Genüge. War ich doch dabei, als 1886, 1888 und 1891 das Rückstauwasser die Wohn-
und Stallräume verschiedener Dorfteile Montlingens durchflutete und man keinen Augenblick vor dem
Entsetzen eines Rheineinbruchs sicher war. Ich sah auch mit eigenen Augen, welche Verwüstungen
die ennetrheinischen Rheineinbrüche von 1888 und 1891 in Koblach drüben, in Mäder, Altach und
Meiningen verursachten.
Wuhrschuld [p. 9ff]
Karl Dux setzt sich ab 1900 dafür ein, dass Oberriet und die anderen Rheingemeinden von der
alten Rheinbau- / Wuhrschuld befreit würden. Kontaktiert Gemeindeammann und Nationalrat Ferdinand
Hidder von Mels. Dieser setzt sich 1901 für einen Nachlass oder zumindest eine Reduktion der Schulden
ein. Das Gesuch wird 1902 vom Regierungsrat abgelehnt.
1903 machte der Regierungsrat "nach einem Kuhhandel" (Drohung seitens Rheintals die Steuerrevision
zu sabotieren) einen Gegenvorschlag, welcher den Erlass der seit 1871 aufgelaufenen Zinsen von 1.6 Mio.
Franken vorsah. Die Restschuld von etwa 650'000 Franken wäre 1903 zu bezahlen gewesen. Auch diese
Restschuld wurde danach gestrichen.
Strassenprojekt Oberriet-Appenzell [p. 14ff]
Das Strassenprojekt Oberriet-Appenzell wurde bereits im 18. Jh. gefordert. 1902 wird die Strasse
projektiert (16.1 km lang, 5 m breit). 1903 wurde der Gemeinderat Oberriet unterrichtet (Kosten auf
St. Galler Seite: 220'000 Franken, später 300'000 Franken). Oberriet sollte 150'000 Franken plus
Abtretung von Land beisteuern.
Eichberg und Altstätten verlangten eine Strassenführung via Hölzlisberg-Eichberg-Hinterforst-Altstätten
(Parallelstrasse zur Stoossstrasse) statt via Hard.
Erst 1909 wurde die Strasse zwar bewilligt aber danach nicht gebaut. Eichberg baute seine
Konkurrenzstrasse via Hölzlisberg nach Eggerstanden als Güterstrasse. Altstätten schuf sich ein eigenes
Konkurrenzobjekt, die Altstätten-Gais Bahn.
Zwischen 1920 und 1923 wurde die Strasse Oberriet-Eggerstanden-Appenzell mit einer Breite von 3.6 m
gebaut (mit Option auf eine Verbreiterung auf die gesetzlichen minimal 4 m). Bis auf ein 2 km langes
"Mittelstück" Haltinerwald-Eggerstanden wurde diese Verbreiterung danach gebaut.
Dürrenbachverbauung [p. 25ff]
1871 wurden im Harder Wald sieben sechs Meter hohe Holzsperren am Dürrenbach gebaut. Als Folge wurde
im Berggebiet des Dürrenbachs (Galgenbach und Sandbach) die Bachrinne schluchtartig vertieft, was zu
Schlamm- und Gerölllawinen führte. Nach Vorbereitungsarbeiten von 45'000 Franken wurde klar, dass das
Projekt über 1.5 Mio. Franken kosten würde.
Die am Galgenbach erstellten 53 Sperren waren bereits 1921 mit 3000 Kubikmeter Geschiebematerial
gefüllt (die Entfernung kostete 11'068 Franken). Später wurden dort trotz Protest Altstättens 47 weitere
Sperren gebaut.
Ausbau der Realschule [p. 33ff]
In den 1860er und 1870er Jahren wurden im Kanton St. Gallen viele Realschulen gegründet. So auch in
Oberriet, wo 1875 eine Privat- oder Garantenschule entstand. [p. 37: der erste Lehrer verdiente 2'300
Franken pro Jahr.] Diese wurde von Jahresbeiträgen der Garanten und von Schulgeldern finanziert.
Die Garanten-Gelder flossen mit der Zeit immer spärlicher und da die politisch-religiöse Einstellung der
Schule nicht zum katholischen Oberriet passte, blieben auch immer mehr Schüler aus.
1897 ging die Schule an die politische Gemeinde über.
Dr. Jur. Karl Dux wurde 1903 in den Realschulrat gewählt und wurde 1906 dessen Präsident [p. 34 im
Widerspruch zu p. 6, wo Karl Dux 1909 Präsident wurde]. 1909 Anstellung einer zweiten Lehrkraft. Das seit
1876 vorhandene einzige Schulzimmer [im Primarschulhaus] musste gekündigt werden. Frau Müller z. Post
stellte die südlich ihres Wohnhauses befindliche Schlosserwerkstätte zur Verfügung.
Seit 1888 war im Primarschulhaus auch die Gemeinderatskanzlei, das gemeinderätliche Sitzungszimmer und
die Gemeindearreste untergebracht. In Neubau für die Realschule und due Gemeindegebäude wurde - unter der
Leitung der Realschulgemeinde - geplant (dies weil Schulen zu 33% subventioniert wurden, aber Gemeindehäuser
nicht). Die Vorlage wurde 1911 von der Bürgerversammlung abgelehnt. Die Anzahl der Schüler war inzwischen auf
33 angestiegen. Ein verkleinertes Projekt wurde dann 1912 angenommen.
1913 waren es 34 Schüler, 1914 deren 40. Dem 1911 gewählte Reallehrer Eberle (gab neben den Hauptfächern
auch Latein- und Italienischunterricht) war es nicht mehr möglich den Unterricht allein zu bewältigen. 1913
wurden für die Fächer Kalligraphie und Turnen die Hilfslehrer Allgaier und Knupp angestellt. 1915 bis 1916
übernahm hochw. Herr Kaplan Dillinger (Oberriet) den Französischunterricht. Mit Subventionen wurde Herr
Albert Kreienbühler als weiterer Hilfslehrer eingestellt (2300 Franken pro Jahr). 1918 wurde dann die
Aufstockung auf eine zweite Vollstelle (2500 Franken statt 2300 Franken) genehmigt. 1920 wurde dank Auslegung
eines nicht allzu klaren Testaments von Frau Marie Lüchinger ein "Fonds" zur Beschaffung von Schulmaterial
für ärmere Kinder geäuffnet.
1924 waren es 60 Schüler.
Entlastung des Binnenkanal- und des Rheinperimeters [p. 38ff]
Die Stallbaute der Alp Sämtis [p. 45ff]
Die mittlere Hütte wurde infolge eines Lawinenniedergangs 1910 zerstört. 1921 wurde der Behörde ein
Stallprojekt zugestellt (doppelter Stall für je zwei Kuhreihen für total 42 Kühe, total 26'000 Franken).
Das Gesuch blieb dann bis 1923 liegen. Die Alp liegt in Innerrhoden, und Appenzell wollte keine Subvention
ausrichten. der Kanton St. Gallen sicherte dann 10% und der Bund 25% zu. Der Stall wurde dann 1925 gebaut
und 1926 als "die schönste Alpstallung von Innerrhoden" ausgezeichnet.
Der Rückkauf der sekundären Elektrizitätsanlagen durch die Gemeinde [p. 47-56]
1924 wurde bei den Erneuerungswahlen der Herr Gemeindeammann
Kolb nicht wiedergewählt. Dr. Jur. Karl Dux
wurde daraufhin gewählt.
Bei den Rückkaufverhandlungen betreffend die sekundären Elektrizitätsanlagen durch die Gemeinde ging es
darum, ob die politische Gemeinde den Vertrieb der elektrischen Energie nur weiter konzessionieren wolle,
oder ob die Gemeinde die Elektrizitätsversorgung in eigene Verwaltung und Rechnung nehmen wolle. Um den
Rückkauf unattraktiv zu gestalten, hatten die St. Gallisch-Appenzellischen Kraftwerke vor den Sekundärstrom
zu verbilligen und den Primärstrom teurer zu gestalten. Erst als mit dem Import von billigem Strom aus
Feldkirch gedroht wurde, lenkte die St. Gallisch-Appenzellischen Kraftwerke ein.
Die Imprägnierungsanstalt [p. 56ff]
Nur in St. Gallen und im Kloster Magdenau gab es Imprägnierungsanstalten (für Holzstangen für Stromleitungen
und Telephonmasten). Zudem gab es gemäss Förster Stieger in Oberriet etwa 40'000 zur Imprägnierung geeigneter
Holzstangen.
Wasserversorgung auf Stein und Stromversorgung Freienbach-Stein [p. 57ff]
Die drei Kienbergalpen wurden 1926 mit Wasser versorgt (aus Neuenalpzapfenquelle mit 40 Minimalminutenliter).
Stein musste bei Trockenperioden weiterhin Wasser von Freienbach oder gar von der Lochquelle beziehen. Stein war
mit seinem Assekuranzkapital von 200'000 Franken bei Trockenzeiten auch bezüglich Feuer gefährdet.
Aus derselben Quelle sollte auch Stein erschlossen werden (Reservoir von 50 Kubikmeter, Einmündung bei der
Krone in Freienbach). Der Anschluss wurde 1928 gebaut.
1829 wurde dann Freienbach-Stein mit Strom versorgt.
Die Erstellung eines Pumpwerks beim Feldhof [p. 60ff]
1904/1905 wurde die Wasserversorgung von Oberriet erstellt. Der erhöhte Konsum (v.a. Industrie) veranlasste
die Gemeinde sich 1921 und 1924 nach neuen Quelle umzusehen (Schwammtobel, Schwarzenegg / Innerrhoden, Forstsee).
Das Projekt mit den Quellen war zu teuer (mindestens 150'000 Franken) daher wurde die Möglichkeit geprüft ein
Pumpwerk am Rhein zu installieren (da wo der alte Giessen vom Rhein mit dessen Sickerwasser herzog und wo man
einen unterirdischen Wasserlauf vermutete). Das Pumpwerk wurde ursprünglich mit einem 11 PS Motor gebaut (300
Minutenliter).
Der Steinbruch im Unterkobel [p. 62ff]
Oberriet litt immer mehr unter Arbeitsmangel (fehlende Industrie, Rückgang der Arbeitsgelegenheit am Rhein).
Der aufkommende Automobilverkehr benötige - statt der früheren Bekiesung - immer grössere Mengen an Schotter-
und Pflastersteinen mit hoher Druckfestigkeit. Ebenso benötigte der Streckenumbau der Bahnen (Elektrifizierung)
grosse Mangen an Schotter. Der Basaltstein - in Form von "Knörren" im Moos (Besitzer: Morant & König), an der
Kobelwald-Freienbachstrasse und im Unterkobel zu finden - hatte die nötige Druckfestigkeit und Eisresistenz.
Das im Unterkobel befindliche Basaltsteinlager wurde anfangs 20. Jh. von einem Glarner Studenten am Poly
beschrieben; es gehörte dem Allgemeinen Hof (wurde bei der Hofteilung 1793 als "Staudengreut" behalten).
1926 kaufte die Gemeinde das Land im Unterkobel. Da die Ausbeutung der Knörren im Moos zu Ende ging, fragten
Morant & König an, ob das Land im Unterkobel erwerbbar sei. Am 1. Februar 1930 übernahmen Morant & König für
3800 Franken den mittleren Teil (10'670 Quadratmeter), währenddem der südliche Teil (11'123 Quadratmeter) und
der nördliche Teil (bisheriger öffentlicher Steinbruch, inkl. Wäldchen und dem 1926 von
Joh. Stieger v. Innozenz erworbenen Heuboden)
bei der Gemeinde blieb. Für den nördlichen Teil hatten sich Morant & König das Kaufrecht für 3800 Franken
anbedungen.
Armenrechtliche Abkurung [p. 66ff]
Das neue Armengesetzt vom 7. Juli 1926 trat im Oktober in Kraft. Bis dahin hatten die Heimatgemeinden die
armen Bürger selbst zu erhalten (innerhalb und ausserhalb der Gemeinde; im Jahr 1926 hatte Oberriet 3300 Bürger
ausserhalb der Gemeinde). Im neuen Gesetzt galt neu zu 50% das Wohnprinzip. Da die industriellen und städtischen
Kosten höher waren, stellten diese 50% bald mehr dar als die früheren 100%.
Der Allgemeine Hof Oberriet, seine Verwaltung und sein Vermögen [p. 69ff]
132 Jahre lang hatte die der Gemeinderat die Verwaltung des Allgemeines Hofes bewerkstelligt. An der
Vorgemeindeversammlung im November 1929 wurde für die Amtsdauer 1930 bis 1933 eine separate Hofverwaltung
beschlossen.
a) Der Allgemeine Hof bis zur Hofteilung im Jahre 1793
Der Allgemeine Hof Oberriet - früher zuerst: Allgemeines Wesen, dann: Hof Krießern an oberen Ried,
Hof Krießern und Oberriet usw. genannt - besteht seit unvordenklichen Zeiten und ist nach seiner Verfassung
und seinem wirtschaftlichen Wesen auf die Alemannen zurückzuführen, welche um die Mitte des fünften
Jahrhunderts n. Chr. vom Norden her über den Bodensee und den Rhein in unsere damals noch zum größten Teile
mit Wald bedeckte Talschaft zogen und hier die bisher ansäßigen, seit 15 v. Chr. von den Römern unterjochten
Rätier teils nach Süden zurückdrängten, teils in sich selbst aufnahmen.
Die alemannische Siedlung war eine genossenschaftliche. Sämtlicher Grund und Boden war ursprünglich
Gemeingut aller, gehörte der Gesamtheit als solcher, wie diese auch in ihrer Gesamtheit die Lasten der Siedlung
zu tragen hatte.
Die Ansiedlung der Alemannen erfolgte in Höfen, die sich mit der fortschreitenden Volksvermehrung und
der dadurch bedingten Waldrhodung zu Weilern, Flecken, Ortschaften und schliesslich zu Rhoden entwickelten.
Diese bildeten zusammen, wie es in den Hofurkunden heisst, das Allgemeine Wesen, die Gesamtheit der Höfe,
den allgemeinen Hof.
Zum Allgemeinen Hof Oberriet gehörte ursprünglich nicht nur das Gebiet der heutigen politischen Gemeinde
Oberriet mit seinen fünf Ortsgemeinden, sondern bis 1789 auch Diepoldsau, und noch früher, bis ins 16., bzw.
17. Jahrhundert hinein auch die vorarlbergische Gemeinde Mäder, die damals ein ganzes Drittel des gesamten
Hofgebietes ausmachte. 1) Und schließlich gehörten zum Hofe Oberriet auch die beiden innerrhodischen gelegenen
Alpgebiete Sämtis und Wideralp, deren Zugehörigkeit zum Hofe auf die Zeit zurückzuführen sein dürfte, als die
Alemannen das Gebiet des Appenzeller-Landes vom Rheintale aus besiedelten.
1) Zur folgenden Darstellung wurden die im "Hof Krießern" (V. J. Hardegger und H. Hartmann) abgedruckten
Urkunden, das im Hofarchiv befindliche Notierbuch, die Hofprotokolle, die weit ins 18. Jahrhundert hineinreichten
und andere zahlreich im Hofarchiv sich vorfindliche Urkunden benützt. 147 bis 1274 zurückreichend, meistens
Originalurkunden, befinden sich seit 1881 zur Aufbewahrung im Stiftsarchiv in St. Gallen; die meisten davon
befinden sich in Abschrift auch im Notierbuche.
Der Allgemeine Hof diente als Alemannisches Gemeindewesen einem doppelten Zwecke, er war Ortsgemeinde und
Polizeigemeinde zugleich.
Als alleiniger Besitzer und Eigentümer von Grund und Boden hatte er das Land, das Gemeingut aller Hofgenossen,
diesen zur Benützung aushinzugeben, zu verwalten. Insoferne versah der Allgemeine Hof die Rolle der heutigen
Ortsgemeinde, nur in viel weiterem Masse, da ja das ganze Hofgebiet jahrhundertelang ausschließlich in seinem
Gemeingute stand.
Die Vermehrung der Höfe bedingte eine Vermehrung der Hofstatten, die eingezäunt werden durften und die,
obwohl sie anfänglich noch Gemeingut aller waren, doch, weil eingezäunt, von der Nutzung durch die Allgemeinheit
allmählich ausgeschlossen, nur noch der Sondernutzung der Hofstattinhaber, zudienten. Das war der Anfang zur
Privateigentumsentwicklung von Grund und Boden.
Mehrere, nebeneinanderliegende Hofstatten entwickelten sich dann zur Dorfschaft, die, ebenfalls zur
Sondernutzung eingezäunt, allmählich der Gemeinschaftsnutzung entgingen, wir dann im Laufe der Jahrhunderte
auch außder Dorfschaft liegende Teil des Hoflandes nach und nach in Sondernutzung und schliesslich durch
langandauernde Sondernutzung in Privateigentum übergingen.
Am längsten blieben Wald, Riet und Weide in gemeinsamer Nutzung und damit im Gemeineigentum.
Da jede Dorfschaft infolge ihrer Sondernutzung an diesen ein besonderes, von den anderen Dorfschaften
abweichendes, Interesse hatte, organisierten sich diese Dorfschaften ganz natürlicherweise jede für sich, und
so entstanden im Laufe einer langen Entwicklung innert dem Allgemeinen Hofe die Rhoden, die sich im Laufe der
Jahrhunderte derart in die ursprünglich gemeinsamen Nutzungen des Hofes geteilt und abgesondert hatten, daß bei
der sogenannten Hof- oder Generalteilung 1789/1793 der Allgemeine Hof als Nutzniesser und Verwalter des
Gesamtgemeingutes, sagen wir als Ortsgemeinde, schon längst aufgehört hatte zu existieren. Die Abtrennung von
Diepoldsau von 1789/1790, wie die allgemeine Hofteilung von 1793 hatten formell und in der Hauptsache nur noch
das zu bestätigen, was die jahrhundertalte Entwicklung schon längst geschaffen hatte.
Der Allgemeine Hof war aber bis 1793 nicht nur Ortsgemeinde im heutigen Sinne des Wortes, sondern er hatte
auch von allem Anfange an die Aufgaben der heutigen Polizeigemeinde, ja des heutigen Staates selbst zu erfüllen.
Die gleichen Organe (Hofrath, Hofammann, Hofschreiber, Hofsäckelmeister usw.), welche die Nutzungen und
Beschwerden des Gemeindegutes zu betreuen hatten, hatten auch das Polizei- und Bußenwesen zu besorgen. Der Hof
hatte sein eigenes privates und öffentliches Recht.
Das "alt und neu Hofbuch" von 1608/1618 war nur eine Neuauflage von schon Jahrhunderte alten
Rechtsanwendungen und regelte das Familien- und Erbrecht, das Vormundschafts- und Waisenwesen usw. Das
aufkommende Privateigentum schuf auch ein eigenes Hofverschreibungsrecht, ein eigenes Grundbuchrecht, ein
eigenes Hypothekar- oder Briefrecht. Ein ausführlich angelegtes "Copeyenbuoch" geht bis 1620 zurück, während
die ersten Hypothekarbriefe bis zum Anfang des 15. Jahrhunderts, bis zur Entstehung der Rentenbriefe überhaupt,
zurückdatieren. Vorhandene Hofftürbüchly, Zins- und Stürrodel erzählen von den Lasten des 16. und 17. Jahrhunderts.
Sache des Hofes war auch das Straßen-, Brücken- und Flußwesen, wobei von altersher der Schutz gegen die Fluten
des Rheines eine große Rolle spielte. Wuhr- und Dammlasten waren aber damals und bis ins 19. Jahrhundert hinein
(Regierungsbeschluss vom 6. Februar 1817) keine Grundlasten, sondern Polizeilasten, und es wurde daher deren
Verteilung unter die Rhoden 1790 auch nicht nach der Größe der Rhode, sondern im Verhältnis der Zahl ihrer
Mannschaft vorgenommen (Notb. Nr. 145, 148).
Die Hoforgane regelten auch das Marktwesen, sie bestimmten die Fleisch- und Brotpreise, den Lohn "der Murer
und Zimmerlüt", der Knechte und Mader usw. Die Hoforgane regelten schliesslich auch den Verkehr mit den damaligen
Oberbehörden, den Schutz- und Schirmherren von Rheineck (seit 1499 die eidg. Orte) und dem Obervogt (Kloster
St. Gallen) auf Blatten, und hatten an diese die alljährlichen Schutz-, Schirm- und Vogtsteuern abzuliefern.
Kurz und gut: Der Allgemeine Hof war bis 1793 nicht nur Ortsgemeinde, sondern auch Polizeigemeinde,
er war beides zugleich.
b) Die Hofteilung von 1793
Nachdem 1789/1790 sich Diepoldsau gänzlich vom Allgemeinen Hof getrennt hatte, kam es 1790-1793 auch auf
dem Gebiete der übrigen fünf Rhoden zur Hofteilung, zur "Generalvertheilung". Was man aber hier Generalteilung
nannte oder noch nennt, war mehr bloß noch eine formelle Zuteilung von Grund- und Boden des Hofes unter die
einzelnen Rhoden, den diese schon längst mit allen Nutzungen und Beschwerden benutzt und besessen hatten, weiter
eine An- und Ausgleichung des Bezogenen unter den einzelnen Rhoden, eine definitive Zuscheidung der einzelnen
Waldkomplexe, wobei teilweise noch das Los zu entscheiden hatte. die Alpen, Schwämme, Strüßler, Kienberg, hatten
sich die Ortsgemeinden schon im 13. und 15. Jahrhundert als Sondernutzung angeeignet, während die Alp Sämtis auf
den gleichen Wege in das Privateigentum von Hofbürgern, allerdings unter Aufsicht und Kontrolle der Hofbehörde,
übergegangen war und das Bannriet in der Versammlung vom 11. Hornung 1776 den einzelnen Rhoden im Verhältnis ihres
Viehbestandes zugeschieden wurde (Hofprotokoll vom 11. Hornung 1776). Die Hauptsache bei der Hofteilung von
1790/1793 war die Zuscheidung der Lasten und Beschwerden des Hofes und der Hofschulden unter die Rhoden. Die
letzteren betrugen am 28. Dezember 1790 3559 Gulden und 5 Kreuzer (Hofprotokoll vom 28. Dezember 1790).
Daß es bei der Hofnachlaß-Verteilung oder vielmehr bei den "Erben" mehr als einmal haperte, erhellt aus der
Tatsache, daß z.B. bei der Rheinlastenverteilung die Oberbehörde, d.h. die 9 eidg. Stände, wiederholt eingreifen
und entscheiden mußten (Notb. Nr. 145, 146), daß bei der Verteilung von Straßen, Brücken und Stegen erst 1808
Schluss gemacht werden konnte (Hofprotokoll vom 24. Februar 1808), und dass eine Rhode ihren Hofschuldenanteil
1805 noch nicht bezahlt hatte (Hofprotokoll vom 30. März 1805).
Die Verteilung von Grund und Boden, Nutzungen und Beschwerden des Hofes, wie der Hofschuld, erfolgte nicht
etwa nach der Größe der Rhoden, sondern nach der "Zahl ihrer Mannschaft" und nach den "Regeln der Billigkeit"
(Hofprotokoll vom 29. November 1790). Dabei hatten die einzelnen Rhoden anlässlich der Hofteilung folgenden
Mannschaftsbestand auszuweisen: Oberriet 156 Mann, Montlingen 113, Eichenwies 59, Krießern 63 und Holzrhode 134.
Nach dieser Mannschaftsskala richtete sich die ganze Hofteilung. Sie wurde auch später immer wieder in Anwendung
gebracht, wenn nachträglich noch Beschwerden zu verteilen waren, die bei der Hofteilung "versehentlich" übergangen
wurden, oder wenn der Hof die ihm von den Rhoden noch nachträglich überbürdeten Wuhr- und Dammlasten nicht selbst
aufbringen konnte oder schließlich, wenn es sich um die Verteilung der Armenlasten handelte (Hofprotokoll vom
30. März 1805, 24. Februar 1808, vom 13. Juli 1821, 6. September 1846, vom 12. September 1858, vom
16. Oktober 1859).
Die Hofteilung von 1790-1793 erfaßte mit Ausnahme von zwei relativ kleinen Kategorien von Grund und Boden
(von denen unten zu sprechen sein wird) sämtliche Liegenschaften des allgemeinen Hofes, die nun formell in das
Eigentum und die Verwaltung der einzelnen Rhoden übergingen.
Damit hatte der Allgemeine Hof als Verwalter des allgemeinen Wesens, des Gemeingutes, also der Ortsgemeinde
(im heutigen Sinne des Wortes) aufgehört zu existieren. An seine Stelle traten die fünf Ortsgemeinden, die aber
auch jetzt noch keine selbständigen, öffentlich-rechtlichen Gemeindegebilde waren, sondern dies erst 1833 wurden.
Dagegen ließ die Hofteilung von 1790-1793 den Allgemeinen Hof als Polizeigemeinde total unberührt.
Nach wie vor funktionierten der Hofrath, der Hofammann, der Hofschreibe, Der Hofsäckelmeister und wie alle
die Hofbehörden hießen, weiter. Nach wie vor besorgte der Hof das Bußen- und Polizeiwesen, die niederen Gerichte,
die Strazzierung und Ratifizierung der Handänderungen, die Errichtung und Kassierung von Zeddeln und Briefen. Der
Hof war immer noch Patronatsherr von Kirche und Schule, und hatte für Schirm- und Vogtssteuern zu sorgen. Mit
einem Worte, der Allgemeine Hof als Polizeigemeinde existierte wie vordem weiter.
Aber während die Auslagen, welche dem Hofe als Polizeigemeinde aus dem Titel der Verwaltung, der
Steuerablieferung an die Schirm- und Vogtherren usw. vor der Hofteilung, vor 1793, in der Hauptsache aus den
Einkünften des Hofgemeindegutes, wie des Trattgeldes, der Dorfschaftzinsen, teilweise auch aus Holzerlösen
bestritten werden konnten, fielen diese Einnahmen infolge der Hofteilung zugunsten der Rhoden dahin und es
verblieben dem Hof als Polizeigemeinde nur noch wenige Einnahmen, wie die Fremdgütersteuer, eine Art
Vermögenssteuer, der Straßenzoll, Bußen usw. Diese wenigen und nicht sehr ertragreichen Einnahmen langten aber
nicht mehr zur Deckung der dem Hofe als Polizeigemeinde noch verbliebenen Aufgaben.
Damit nun aber der Allgemeine Hof seinen Verpflichtungen, seiner Zweckbestimmung als Polizeigemeinde, doch
nachleben konnte, wurden ihm vorerst, 1793, eine Anzahl Liegenschaften zu Eigentum überlassen, aus deren
Nutzungen und eventuell auch Erlösen er die polizeilichen Auslagen mitbestreiten konnte. So verblieben aus diesem
Grunde dem Hofe u.a. ein Stück "Staudengereut"-Boden im "Löhle" beim Martinsbergle, ein solches auf Kienberg,
"Salchet" genannt, die Galgenhofstatt, ein Stück Staudengereut-Boden am Semelerberg, bei dem Galgenries
(Antersandersche Liegenschaft), welche Liegenschaften der Hof bereits 1795 an Private um rund 5400 Gulden verkaufte
und den Erlös zur Deckung der Hofausgaben, insbesondere zur Bezahlung der Kosten der sich seit 1792 immer mehr
häufenden militärischen Zwangseinquartierungen verwendete (Notb. Nr, 140 bis 144. S. auch "Der Hof Krießern" v.
Hardegger u. Wartmann). Weitere Liegenschaften, welche dem Hofe gemäß Beschluß vom 28. Juli 1794 zum gleichen
Zwecke überlassen wurden, waren der äussere Wald (Wattwald), ein Teil des Kienbergwaldes und des Waldes auf dem
Semeler, Staudenboden am Unterkobel und noch einige andere kleinere Liegenschaften Diese letzteren, dem Hofe
ebenfalls zur Bestreitung seiner Verwaltungskosten überlassenen Waldliegenschaften waren damals abgeholzt oder
gereutet, hatten daher keinen großen Nutzwert und konnten daher dem Hofe, wie es in der Vereinbarung vom Juli
1793 heißt, "ohne Schaden und Nachteil der Eint oder andere Rod" überlassen werden. Es war damals mehr Unland
als Nutzland, und des konnten daher die Jahreserträgnisse auch nicht groß sein. Daher beschloß die
Hofbürgerversammlung vom 28. Juli 1793, zur Bestreitung der "Kosten" des Allgemeinen Hofes für die Dauer von
10 Jahren auch noch eine jährliche Auflage von 24 Kreuzern pro Haushaltung (Notb. 132).
Alle diese erwähnten Liegenschaften verblieben dem Hofe als Polizeigemeinde, nicht als Ortsgemeinde, als
welche er ja 1793 aufgehört hatte zu existieren. Die Erträgnisse derselben waren daher auch nicht dazu bestimmt,
um je unter die Hofbürger oder die Rhoden verteilt zu werden, sondern sie dienten, wie erwähnt, zur teilweisen
Bestreitung der Auslagen, die dem Hofe als weiterhin bestehender Polizeigemeinde erwuchsen. Diese Zweckbestimmung
erhellt nicht nur aus der Tatsache und der Art der Ueberlassung, sondern auch aus der weiteren Tatsache, daß der
Hof bereits zwei Jahre nach der "verflossenen" Hofteilung v, 1795, über einen Teil dieser Liegenschaften frei zu
seinen Gunsten verfügte, und daß die Einkünfte dieser Liegenschaften bis 1833 bzw. 1839, also nachdem die
Hofverwaltung schon längst an den Gemeinderat übergegangen war, in der Polizeirechnung aufgeführt und daselbst
bestimmungsgemäß auch als Einnahmen der Polizeigemeinde verwendet wurden.
Diese Liegenschaften waren daher nichts anderes als Fonds der damaligen Polizeigemeinde in Form von Grund
und Boden und stellten den einen Teil des mit bestimmter, gebundener Zweckbestimmung aus der Hofteilung von 1793
hervorgegangenen, dem Allgemeinen Hofe als Polizeigemeinde überlassenen "Hofvermögens" dar.
Daneben verblieben dem Hofe auch nach der Hofteilung von 1793 noch drei weitere Bodenkomplexe im Thale, am
Rheine draußen, nämlich die oberen und unteren Hofauen und das Güetli am Kirchendamm (Notb. Nr. 145, 148).
Auch diese Zuscheidung erfolge zu einem bestimmte, öffentlichen Zwecke und hatte folgende Bewandtnis: Die
Hofteilung schloß natürlicherweise nicht nur die Verteilung "von allen Gemeindsgütern in Berg und Thal", sondern
auch jene der Beschwerden in sich. Zu diesen Beschwerden gehörten vornehmlich die Rheinlasten, die streckenweise
unter die Rhoden zur Verteilung gelangen sollten. Dabei blieb die Holzrhode, weil allzuweit entfernt,
interessanterweise von der Uebernahme einer separaten Wuhrstrecke verschont, immerhin hatten sie gemäß
obrigkeitlichem Spruche 150 Fuder Steine an die allgemeine Wuhre zu liefern. Da Krießern als kleine Rhode mit
Wuhren allzu stark "beladen" worden wäre und die Rhoden sich über eine gänzliche Ausscheidung der Wuhrpflicht
nach Strecken überhaupt nicht einigen konnten, liessen sie zwei Wuhrstrecken bei Krießern und eine Dammstrecke
beim Kirchendamm (dieser zog sich von Kolbenstein, Montlingen, in nördlicher Richtung bis zur sog- Fallenbrücke,
zum bestehenden Damme hin und wurde in der Hauptsache bei Schaffung der Güterzusammenlegung Montlingen-Krießern
abgetragen) unverteilt, die Gesamtheit des Hofes, also alle fünf Rhoden wuhr- und dammpflichtig weiterhin blieben.
Dabei wurden, wie bei der Wuhrzuscheidung, an die einzelnen Rhoden, die hinterliegenden Staudenauen auf
die Länge der pflichtigen Wuhrstrecke, und zwar bei den oberen Hofauen bis zum Reutebach, bei der unteren bis
zum Felddamm, den Wuhrpflichtigen, also hier der Gesamtheit der fünf Rhoden, als Eigentum zu geschieden. Die
Zuscheidung der Staudenauen erfolgte deshalb, weil zur Wuhrung bei der damaligen Wuhrungsart (Wuhrhäge) Stauden
das Hauptmaterial bildeten. Aehnlich verhielt es sich mit der Zuscheidung des Guetli am Kirchendamm (das in den
achtziger Jahren des letztes Jahrhunderts verkauft wurde), und das Dammmaterial liefern mußte.
Sowohl die beiden Hofwuhre (wie sie nachträglich genannt wurden) wie die Dammarbeiten am Kirchendamm wurden
von den fünf Rhoden auch nach der Hofteilung noch fast drei Jahrzehnte lang selbst, und zwar nach "der Zahl der
Mannschaft", allerdings unter der Leitung des Hofverwaltungsrates, als der gegebenen gemeinsamen Behörde, besorgt.
Der Kirchendamm wurde 1809 sogar unter die Rhoden streckenweise verteilt, später aber die Dammpflicht wieder der
Gesamtheit, d.h. dem Hofe zu geschieden. Erst im Jahre 1829 wurde in Sachen der beiden Hofwuhre das erstemal
beschlossen, "daß von nun an die benötigten Steine aufs allgemeine Hofwuhr von Hofs wegen angeschafft und bezahlt
werden sollen", während die manuelle Wuhrarbeit auch jetzt noch von den Rhoden im Gmeinwerk und im Verhältnis
ihrer Mannschaft zu leisten war. (Notb. 145, 148, Hofprotokoll vom 15. Dezember 1809 und 28. Dezember 1829).
So gingen die unteren und die oberen Hofauen samt dem Guetli als Folge der dem Hofe überbundenen Wuhr- und
Dammpflicht auf diesen über und blieben natürlich auch in dessen Eigentum, als infolge des Rheinkorrekturgesetzes
von 1859 manuelle und Materialleistungen der Rheinlastenpflichtigen durch Wuhr- und Perimeterbeiträge abgelöst wurden.
Das war der Allgemeine Hof, wie er aus der Hofteilung von 1793 hervorgegangen und wie wir ihn beim Eintritt
der Helvetik 1798 antreffen. Als Ortsgemeinde im heutigen Sinne des Wortes hatte er aufgehört zu existieren, er
war so arm geworden wie "en Kirchemus", wie es in einer Urkunde heißt, als Polizeigemeinde aber lebte er wie
vordem weiter.
c) die gemeinderätliche Hofverwaltung im allgemeinen 1798-1930
Die großen politischen Umgestaltungen, welche sich am Ende des vorletzten Jahrhunderts im Westen Europas
vollzogen, blieben auch auf die alte Eidgenossenschaft und ihre Untertanenländer nicht ohne Einfluß. Durch die Macht
der damaligen Verhältnisse gezwungen, entliessen die neun regierenden eidgenössischen Orte in ihrer Tagsatzung von
Frauenfeld unterm 3. März 1798 das Rheintal aus seiner Untertanenpflicht und anerkannten dasselbe zugleich als
selbständiges Glied der schweizerischen Eidgenossenschaft (Notb. Nr. 273).
Als Folge dieser politischen Umgestaltung wurde am 20. März 1798 in Montlingen auf dem "Gemeinds-Blatz", nach
dem vormittägigen Gottesdienste, Hofversammlung gehalten, damit der Hof als Glied des neuen Standes Rheintal auf
Antrag der "provisorischen Obrigkeit" nicht nur die Wahlmänner des Standes Rheintal, sondern auch die "wie von
Alters her", den neuen Hofrath mit einem "regierenden Hofammann" an der Spitze wähle (Hofprotokoll vom 20. März
1798).
Allein die Herrlichkeit der Rheintalischen Republik dauerte nicht lange. Die alte Eidgenossenschaft stürzte
zusammen und an deren Stelle trat der von Frankreich diktierte Einheitsstaat, die Helvetische Republik. Bereits am
19. August 1798 hatten sich daher die Hofgenossen wiederum unter der Leitung des Hofammanns auf dem alten
"Gmeinds-Blatz" zu Montlingen zu versammeln, um, allerdings mit Widerstreben, aber "in Ansehung der
Munizipalitätswohl" an Stelle des Hofraths, des Hofammanns usw. einen "Munizipalitätsrath", einen "Bürger
Munizipalitäts-Präsidenten" usw. zu wählen (Hofpr. v. 19. August 1798), wie es die Verfassung des Kantons Säntis,
zu dem das Rheintal gehörte, verlangte. Die Munizipalgemeinde der Helvetik stellte so ziemlich das gleiche
Gemeindewesen das, wie der Allgemeine Hof. Was sich änderte, das waren die Namen, auf einem Hofrath wurde ein
Munizipalrath, aus einem Hofammann machte man einen Munizipal-Präsidenten usw. Die paar welschen Fremdwörter und
die fortwährenden militärischen Zwangseinquartierungen waren das einzige, mit dem die Helvetische Republik dem
Rheintale "imponieren" konnte. Im übrigen war die öffentlich-rechtliche Stellung der Munizipalgemeinde ungefähr
die gleiche, wie die des Allgemeinen Hofes von 1793. Das ersieht man nicht nur aus den Verhandlungsgegenständen
der Ratsprotokolle von vor und nach 1798. Sogar das unterm 23. März 1797 begonnene "Raths Brodokoll dess
Gefrythen Reichs Hofes Griesern und Oberriedt ["] wurde bis zu "23. Aprile 1803", also bis in den Kanton
St. Gallen hinein, auch vom Munizipalrat Oberriet weiter benutzt, wie es vordem der Hofrath getan, als ob immer
noch die gleiche Hofbehörde in Funktion sei.
Mit der Schaffung der neuen Eidgenossenschaft und damit auch des Kantons St. Gallen durch die Mediationsakte
vom 19. Februar 1805 trat an die Stelle der Munizipalgemeinde die politische Gemeinde, deren Pflichtenheft dieser
von jener, und damit auch vom Allgemeinen Hofe des Jahres 1793 übernahm, soweit dasselbe durch die kantonale
Verfassung nicht abgeändert wurde.
Während die Helvetik in Rücksicht auf die damaligen wirren Verhältnisse und die kurze Dauer ihres Bestandes
1798-1803) zu einer neuen Gestaltung der Gemeindewesen keine Zeit fand, schuf der Kanton St. Gallen bereits unterm
22. Brachmonat 1803 ein Gesetz "über die Organisation der Gemeinderäte und der Gemeindegüterverwaltungen". In § 3,
zweiter Abschnitt dieses Gesetzes, wurde bestimmt, daß in den Fällen, da die politische Gemeinde "nur aus einer
Gemeidegenossenschaft" besteht, der Gemeinderat auch zugleich der Verwaltungsrat dieser Gemeindegenossenschaft sei.
Gemäß dieser Gesetzesbestimmung wurde die politische Gemeinde Oberriet, deren Gebiet sich mit jenem des Allgemeinen
Hofes von 1793 deckte, von der Oberbehörde, dem kleinen Rate, nur als eine Gemeindsgenossenschaft und damit der
Gemeinderat auch als deren Verwaltungsrat erklärt. Der Gemeinderat war somit während der Verfassungsperiode 1803
bis 1831, oder richtiger bis 1834, von Verfassungswegen auch Hofverwaltungsbehörde, und mußte als solche nicht
noch extra gewählt werden. Man findet daher während dieser Zeit keine Hofwahl- und keine Hofbürgerversammlung,
wie es auch keine Hofrechnung, sondern nur eine Gemeindsrechnung oder Hofrechnung gab. Aus dem gleichen Grunde
war der Gemeinderat während dieser Zeit auch eine Art Oberbehörde über die Rhoden, die als Sektionen der Gemeinde
weiter bestanden und als solche auch ihre Gemeindegüter selbst verwalteten (Hofprotokoll vom 20. Februar und
15. Dezember 1809, vom 28. Dezember 1829, 15. April 1922, 30. Oktober 1821).
Die neue Verfassung vom 1. März 1831 verwies dann in ihrem Art. 45 auf das Institut der Ortsgemeinden, die
durch ein eigenes Gesetz bezeichnet werden sollten. Aber auch in diesem Gesetze vom 22. Wintermonat 1832 findet man
für die politische Gemeinde nur den Hof als Ortsgemeinde verzeichnet, so daß die fünf Rhoden immer noch nur als
Sektionen desselben galten. Erst durch das Spezialgesetz vom 15. Wintermonat 1833, in Kraft getreten am
30. Jänner 1834, wurden die Sektionen der Gemeinde Oberriet, als: Holzrhode, Oberriet, Eichenwies, Montlingen
und Krießern "in Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse" als Ortsgemeinden mit öffentlich-rechtlichem
Charakter anerkannt.
Mit dieser Anerkennung der 5 Rhoden als selbständige Ortsgemeinden fiel das seinerseits stipulierte Recht
des Gemeinderates auf die Verwaltung der einten Gemeindsgenossenschaft dahin, eben weil diese durch das Gesetz
von 1833 auch rechtlich in fünf Genossenschaften geteilt wurde. Anderseits bestand der Allgemeine Hof gemäß
gesetzlicher Anerkennung von 1803 und 1832 formell, wenigstens als öffentlich-rechtliche Korporation, immer noch
weiter, da er durch das Spezialgesetz von 1833 nicht aufgehoben wurde, und er zudem gemäß Hofteilung von 1793
immer noch Güter, allerdings mit gebundener Zweckbestimmung, besaß.
Man frägt sich zwar, warum bei diesem Anlasse gerade in Rücksicht auf die Zweckbestimmung eines Teils der
Hofgüter - Mitbestreitung der Auslagen der Hof-Polizeigemeinde - diese nicht direkt der Polizeigemeinde zugeschieden,
und der Hof als solcher nicht aufgehoben wurde. Allein, man darf bei dieser Erwägung ein Zweifaches nicht übersehen.
Vorerst hatten die 1793 dem Hofe als Polizeigemeinde zugeschiedenen Güter auch jetzt noch (1834) keinen großen
Ertrags- und daher überhaupt keinen großen Wert für die Polizeigemeinde. Dazu kam, daß die dem Hofe überbürdeten
Rheinlasten um das Mehrfache den Wert der dem gleichen Hofe eben zur Mittragung der Rheinlasten überlassenen Hofauen
übertrafen, und infolgedessen aus dem Ertrage der letzteren nicht bestritten werden konnten. Gerade aus diesem Grunde
hatte der Staat ein großes Interesse an der Weiterexistenz des Hofes als Ganzes, zumal die Rheinlasten damals und bis
1859 Polizei- und nicht Grundlasten waren, und daher die Hofbürger neben ihrem Zweckvermögen (Hofauen) auch noch
persönlich, steuerpolitisch, hafteten (Regierungsentscheid vom 6. Februar 1817. Steuergesetz von 1805, § 5).
Und Schließlich: Wenn auch durch das Sondergesetz vom 15. Wintermonat 1833 das gesetzliche Recht auf eine
gemeinderätliche Hofverwaltung dahinfiel, und an dessen Stelle das eigene Wahlrecht, das Recht auf eigene
Rechnungsstellung und Verwaltung trat, so hatte der Gesetzgeber in Art. 85 der 1831iger Verfassung (welche Bestimmung
auch in die Verfassungen von 1861 und 1891 überging) in Berücksichtigung der Zweckverbundenheit zwischen Korporation
(Hof) und Polizeigemeinde in die Bestimmung aufgenommen, daß die Hofverwaltung auch fernerhin dem Gemeinderate als
solchem übertragen werden könne. Dieser Wahlzweckbestimmung lebten denn auch die Hofgenossenversammlungen von allem
Anfange an, von 1834 bis 1930, nach, indem sie während dieser ganzen Zeit mit einer einzigen Ausnahme die Hofverwaltung
immer dem Gemeinderate übertrugen. Es ist dies gewiß ein Beweis dafür, daß die Hofgenossen in Kenntnis der vorhandenen
Zweckverbundenheit dieser nicht nur nachleben wollten, sondern mit dieser Verwaltungsübertragung an den
mitinteressierten Gemeinderat auch sehr gut fuhren. Einzig in der Amtsperiode 1849-1851 wurde eine "eigene
Hofverwaltung" aus drei Mitgliedern bestellt, die aber ebenfalls dem Gemeinderate entnommen wurden. Der Grund dieser
Extratour in der Bestellung der Hofverwaltung lag nicht nur in Unregelmäßigkeiten, die in der vorhergehenden Amtsdauer
im Schoße der Verwaltung seitens eines Mitgliedes vorgekommen, sondern auch darin, weil, nach der damaligen
Rechnungskommission, es Hofverwaltungsräte gegeben hatte, deren Kalender für den Hof mehr Tage hatte, als solche in
gewöhnlichen Kalendern zu finden waren, eine Amtsbestätigung, wie die viel, viel später anderswo auch etwa vorgekommen
ist. Diese Feststellungen veranlassten dann 1849 die Hofbürgerversammlung, anstatt den ganzen Gemeinderat, nur drei
Mitglieder desselben mit der Hofverwaltung zu betrauen, mit den bisherigen ersten Reklamanten als Hofpräsidenten an
der Spitze. Aber auch diese "eigene Hofverwaltung" fand ihre Kritiker, insbesondere wurde von der Konrollselle dann
dem neuen Präsidenten, der vordem alles besser, schneller und billiger machen wollte, der Maien gesteckt, indem
festgestellt wurde, "daß er sehr viel, sehr viele Geschäfte gemacht habe, was sich aus den Verhandlungsprotokollen
und den Verdienstnoten schließen läßt".
Da die Hofbürgerversammlung weder mit der Geschäftigkeit noch mit den Verdienstnoten der "eigenen Hofverwaltung"
von 1848 einverstanden war, kehrte sie wird er zum alten Wahlmodus zurück, und bestellte unterm 25. Mai 1851 wieder
den ganzen Gemeinderat als Hofverwaltung und so blieb es, bis die "eigene Hofverwaltung" von 1849 im Jahre 1929 wieder
eine Neuauflage erfuhr.
d) Die gemeinderätliche Vermögensverwaltung des Allgemeinen Hofes
Zusammenfassung dieses Kapitels: Die Erträge der Hofliegenschaften reichten nicht um ein Vermögen aufzubauen.
Erst 1857 existierte eine erste Wertschätzung der Liegenschaften: 56'252.70 Franken. Die Rheinlasten von 70'398
Franken wurden in Anrechnung gebracht und die laufenden Schulden betrugen 3055 Franken.
Ab 1863 wurden die Rheinlasten durch Akkordarbeit in eigener Regie verkleinert. Es resultierte bis 1874 ein
Überschuss von 25'498.83 Franken, als das "Akkordvorrecht" aufgehoben wurde. Nettovermögen 1903: 43'768.48 Franken
plus 78'700 Franken Fondsgelder und 48'000 Franken Wertschatzung der Hofliegenschaften.
Als am 19. November 1902 die alte Rheinwuhrschuld der Rheingemeinden dahinfiel stieg das Nettovermögen 1904
sprunghaft auf 117'328.27 Franken. Seither ist der Hof auch steuerpflichtig (1916/17 mussten 43'000 Franken an
Staats-, Polizei-, Armen-, Kirchen- und Schulsteuern bezahlt werden). Ebenso wurden mehrere Beschlüsse gefasst,
in welcher der Hof Zuwendungen an Institutionen machte (1912 an die Realschulhausbaute: 12'000 Fr., 1915 Übernahme
der Kriegssteuern: 56'711.39 Fr., 1917 Zahlung in die Polizeikasse: 11'520 Fr., etc.).
e) die Wiedererwerbung der Alp Sämtis für den Allgemeinen Hof im Jahre 1891, und die gemeinderätliche
Alpverwaltung von 1891-1930
Die Darstellung der gemeinderätlichen Hofverwaltung wäre unvollständig, würde nicht auch noch die
Wiedererwerbung der Alp Sämtis für den allgemeinen Hof und die gemeinderätliche Verwaltung der Alp Sämtis von
1891 bis 1930 kurz gestreift werden. Die genannte Alp war und ist zudem mit der Gemeinde und dem Hofe Oberriet
geschichtlich und wirtschaftlich derart verbunden, daß schon aus diesem Grunde eine kurze Berührung der
Wechselbeziehungen am Platze ist.
Die Alp Sämtis wie die anstoßende Wideralp im Innerhodischen gehören zum Allgemeinen Hofe seit
unvordenklichen Zeiten zu Eigentum an. Die Rodung oder "Schwemmung" dieser beiden Alpgebiete durch die Hofleute
von Oberriet, und damit auch die eigentümliche Zugehörigkeit zum Allgemeinen Hofe, dürfte auf die Zeit
zurückzuführen sein, allwo die Alemannen das Gebiet des Appenzellerlandes vom Rheintale aus besiedelten.
Die Behauptung, die Oberrieter hätten einstens, die Geldnot der Appenzeller benutzend, die Alp auf dem Wege
der Verpfändung, also auf eine nicht sehr noble Art an sich gebracht, ist eine geschichtliche Unwahrheit,
nur dazu bestimmt, die von Landammann Sutter und seinen willfährigen Innerhoder Rate von 1767 bis 1775
gegen Oberriet begangenen Gewalttätigkeiten und Anmaßungen zu beschönigen.
Geschichtlich nachweisbar gehörts die Alp Sämtis bereits den Oberrietern, als das Land Appenzell dem
Kloster St. Gallen noch lange zehntpflichtig war. (Gedruckte Eingabe von Hof-Ammann, Amthleut und Rath, auch
gesamte Alps-Genossen des Hofs Krießern am Oberried, etc., an die unterm 26. Juli 1775 im Sutterhandel tagende
Tagsatzung in Frauenfeld.)
Ursprünglich standen die beiden Alpen nicht nur im gemeinsamen Eigentum, sondern auch in der gemeinsamen
Nutznießung aller Hofgenossen. Dann wird es im Laufe der Jahrhunderte gegangen sein, wie mit dem Hofstatts- und
Dorfschaftsboden, aus der gemeinsamen Nutzung wurde Sondernutzung, dann Sondereigentum, Privateigentum, hier
Privat-Alprechte, die schließlich auch verkauft, verpfändet und vererbt werden konnten. Nachweisbar bestanden
in der Alp Sämtis bereist im 15. Jahrhundert die Privat-Alprechte zu Recht (Eingabe von 1775).
Neben diesem Uebergangsprozess vom Gemeindeeigentum zum Privateigentum lassen sich noch zwei
Enteignungsarten geschichtlich anführen, welche insbesondere den Verlust der Wideralp für den Hof erklären
lassen.
Da ist vorerst das sog. Verspruchs- oder Verzugsrecht, das überall in den alemannischen Landen, also
auch in Appenzell und in den rheintalischen Höfen in Geltung, und das darin bestand, daß Liegenschaften, die
im Begriffe waren, an Fremde veräußert zu werden, von jedem einheimischen Bürger, von jedem Hofgenossen, zum
gleichen Preise an sich gezogen werden konnten, ohne daß der Verkäufer oder der fremde Käufer hiezu etwas zu
sagen hatte. Mittels dieses Zugrechtes wollte Landammann Suter von 1768 bis 1775, trotz den hier gegenteiligen,
von Appenzell selbst 1639 sanktionierten, die Alp Sämtis betreffenden Hofrechtsbestimmungen von Oberriet, die
Alp Sämtis in den Besitz von Appenzell bringen. Dabei ging er in der Auslegung des Zugsrechtes so weit, daß er
die ganze Alp, ohne daß ein Handänderungsakt überhaupt vorlag, einfach als Eigentum des Landes Appenzell
erklärte und die Oberrieter mit einer selbstherrlich angesetzten Summe von 6000 Gulden abfinden wollte. Die
Eidg. Tagsatzung hat dann mit Entscheid vom 26. Juli 1775 den Gewalttätigkeiten Suters, die diesem selbst
zu seinem Untergange wurden, den Riegel gestoßen.
Die zweite Uebergangsart einer Alp von einer Hand zur anderen war die sog. Nutzungsverjährung. In
früheren Jahrhunderten (zum Teil jetzt noch) waren die Alpen nicht durch bestimmt fixierte Grenzmerkmale,
oder gar durch Mauern, Häge usw., voneinander abgegrenzt, sondern die Atzung zweier nebeneinander liegenden
Alpen ging vielfach ineinander über. So bei der Alp Sämtis selbst heute noch bezüglich des vorderen, mitleren
und hinteren Gadens und der Gadenrechte. Die Folgen waren dann vielfach Streitigkeiten, vorerst wegen
Nutzungsansprüchen, dann wegen der Grenzlinien usw. So haben 1863-1864 die Besitzer der Wideralp den hintersten
Teil unserer Alp Sämtis, die sog. Kalberweid, auf dem Prozeßwege für sich beansprucht, behauptend, die hätten
diesen Teil der Alp immer benutzt, und daher sei auch die Grenzlinie der Wideralp weiter gegen die Sämtiser
Alp zu verlegen. Vor erster Instanz wurden denn auch die Wideralp-Besitzer mit ihrem Begehren geschützt, dann
aber vom Spanngericht des Kantonsgerichtes unterm 23. September 1864 kostenfällig abgewiesen.
Auf dem Wege der Nutzungsverjährung dürfte auch der Holzbestand der Alp Sämtis, soweit er zum Alpbetriebe
nicht nötig ist, in das Eigentum der Brülisauer, als die von jeher nächstliegenden tatsächlichen Nutznießer und
Nachbarn übergegangen sein.
Daß die Appenzeller schon seit jeher versuchten, in den Besitz der Oberrieter Alp zu gelangen, war ganz
natürlich, zählte doch unsere Alp zu den weitaus schönsten Alpen des Alpsteingebietes. Sie liessen sich denn
auch durch die Mißerfolge von 1767-1775 und 1863/1864 und anderer Daten nicht entmutigen, und suchten dann
insbesondere in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts durch Zusammenkauf von Alp-Sämtiser-Grasrechten
doch noch zu ihrem Ziele zu gelangen. Gelang ihnen dies, und konnten sie sich auch nur die Mehrheit der
Grasrechte käuflich aneignen, so war der Rheintaler Sämtis für Oberriet und dessen Landwirtschaft verloren.
Um nun den drohenden Verlust der Alp Sämtis für Oberriet abzuwehren, wurde vorerst auf Veranlassung von
Gmeindeammann August Dux sel. von 84
Alp-Sämtis-Grasrechtsbesitzern die unterm 30. September 1890 ins Handelsregister eingetragene "Alpgenossenschaft
Sämtis" gegründet, deren Zweck die "Benutzung und Bewirtschaftung der gemeinsamen Alp, sowie die Hebung der
Viehzucht, der Alp- und Landwirtschaft in der politischen Gemeinde Oberriet" war und die in § 6 der Statuten u. a.
bestimmte, daß der Genossenschafter nicht befugt sei, "Alpteilrechte an jemanden zu veräußern oder zu verpfänden,
der nicht in der politischen Gemeinde ansäßig ist".
Da aber die genossenschaftliche Form doch nicht für den ungestörten Alpbesitz Oberriets garantierte, zudem
manche Genossenschafter sich ihres Alprechts zu entäußern wünschten und der Allgemeine Hof im Besitze der zum
Ankaufe nötigen Fondsgelder war, trachteten die Initianten, mit Gemeindeammann
August Dux an der Spitze, darnach, die Alp Sämtis
in "Wahrung und Beibehaltung einer von unseren Vorfahren stets besessenen und hoch in Ehren gehaltenen Rechtsame"
wieder in den ungestörten Besitz des Allgemeinen Hofes zu bringen, welches Bestreben denn auch durch die
Hofbürgerversammlung vom 26. April 1891 sanktioniert wurde. Und so kam die Alp Sämtis dank der Initiative
einiger uneigennütziger Männer wieder in das Eigentum des Allgemeinen Hofes, nachdem die Alp diesem als
solchem Jahrhunderte vorher, verloren gegangen war.
Die gemeinderätliche Hofverwaltung war nun als Alpverwaltung von Anfang an bestrebt, dem beim Alprückkauf,
1891, leitenden Motive - Hebung der Viehzucht, der Alp- und Landwirtschaft der Gemeinde Oberriet - nachzukommen
und die Alp als Treuhänder der Oberrieter Landwirtschaft zu verwalten. Dementsprechend sollte sich zwar die Alp
selbst erhalten, daneben aber zu keinem anderen Zwecke als der Hebung und Förderung des Haupterwebszweiges der
Gemeinde, der Landwirtschaft, zudienen. Daher wurde von Anfang an eine eigene, von der des Allgemeinen Hofes
losgelöste Rechnungsführung gehandhabt, wobei Rechnungsüberschüsse einzig und allein zur Abzahlung des
Kaufpreises und zur Hebung und Verbesserung der Alp verwendet wurden.
...
Damit glaube ich, in den vorstehenden Ausführungen über den Allgemeinen Hof, seine Verwaltung und sein
Vermögen den Beweis erbracht zu haben, daß der heutige Allgemeine Hof eine öffentlich-rechtliche Koporation mit
einem öffentlichen Zweckvermögen und nicht eine bloße, unverteilte Vermögensgemeinschaft der fünf Ortsgemeinden
ist, über welche diese in Form von Hofversammlungsbeschlüssen frei und ungebunden verfügen und selbige sogar
unter sich auslassen könnten. Das Hofvermögen ist gemäß Teilakt oder richtiger, gemäß Vermögensausscheidungsakt
von 1793, und gestützt auf die seit dem gleichen Datum dauernde Hofverwaltungspraxis, an bestimmte öffentliche
Zwecke gebunden, die sich mit der im Kanton St. Gallenverfassungsrechtlich verankerten Zweckbestimmung der
politischen Gemeinde decken. Hof und Polizeigemeinde gehören nach ihrer Zweckbestimmung zusammen. Daher war die
von 1798 bis 1930 dauernde verwaltungsrätliche Verbundenheit der Hofverwaltung mit jener der politischen Gemeinde
gegeben, abgesehen davon, daß sie die Verwaltung vereinfachte und verbilligte. Gerade in Rücksicht auf die
Zweckbestimmung des Hofvermögens spielte und spielt es keine Rolle, wenn gestützt auf diese verwaltungsrätliche
Verbundenheit der Hofverwaltung mit dem Gemeinderate bei der ersteren auch etwa Niedergelassene mitwirkten.
In allen 132 Jahren saßen seit 1798 übrigens nur zwei niedergelassene Bürger im Gemeinderate und damit auch in
der Hofverwaltung, die zudem gemäß Abstammung mit 50% "Hof"-fähiges Blut aufwiesen, und denen gestützt auf die
vorhandenen Verwaltungsprotokolle wie die persönliche Wahrnehmung, das Zeugnis nicht verweigert werden kann,
daß sie als Hofverwaltungsräte die Interessen des Allgemeinen Hofes immer, und zwar in uneigennütziger Weise
gewahrt haben. Es waren dies die Herren Karl Sartory
und Johann Büchel, z. Sonne, Oberriet [verstorben 1934], die den beiden Behörden von 1879 bis 1891, resp.
von 1924 bis 1927 angehörten.
Im Gegensatz zur allgemein öffentlichen Zweckbestimmung des Hofvermögens soll die Alp Sämtis, wie dargetan,
dem Rückkaufszwecke von 1891 gemäß nur der Hebung und Förderung der Landwirtschaft der Gemeinde, und so allerdings
auch indirekt dem Allgemeininteresse der Gemeinde zudienen.
Herr Kluser, z. Hecht, Rehag, hatte denn auch dieser Zweckbestimmung richtigen Ausdruck verliehen, als er
in der Hofbürgerversammlung von 1928 den Antrag stellte, daß künftighin die Alpgräser der Alp Sämtis nur noch an
die in der Gemeinde wohnhaften Hofbürger und Niedergelassenen versteigert, bzw. verpachtet werden sollten, und es
ist zweckwidrig gehandelt, wenn z. B. die Jahresüberschüße der Alp der Hofkasse zugeführt werden, wie es die
derzeitige Verwaltung letztes Jahr getan hat.
...
Es folgen noch zwei Seiten Schlussbemerkungen.
Grabstein
Quelle: Unser Rheintal (1957) p. 106.
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