Häftling No. 153
Johann Jakob Stieger war 1842 bei Haftantritt ledig. Er hatte noch einen Bruder und zwei Schwestern.
Er war von fester Statur, 5 Fuss und 8 1/2 Zoll gross, hatte braune Haare, Augenbrauen und Bart und gute Zähne. Kurzsichtig. Kein Vermögen.
Gesundheitszustand: er litt des öfteren an Blutspucken und Bluterbrechen.
Delikt: Qualifizierter Betrug. Strafmass: 18 Monate. Austritt am 2. August 1844.
Charakteristik:
Den 27. Juli 1842 begab sich Johann Jakob Stieger von Freienbach, Joseph Büchel [Kapfhanses] von Freienbach und Anton Büchel Pferdhändler von Roggell [Ruggell] nach vorher geschlossener Vorabredung nach Hohenems um den Adlerwirth Karl Amann [Ammann] daselbst um ein Pferd und Wagen zu betrügen. Stieger hatte dem Joseph Büchel bessere Kleider gegeben, damit er als ein reicher Bauer gelte, für welchen er sich ausgeben musste, während Stieger und Anton Büchel den Adlerwirth in der Meinung bestärkten. Stieger gab sich für einen Advokaten aus, der eine grosse Praxis und zudem eine reiche Frau habe.
Unter solchen Vorspiegelungen kaufte Johann Büchel dem Adlerwirth Pferd, Gerschierr und Wagen ab für f 86, und gab ihm f 5"27 auf den Kauf, und Stieger kaufte ihm das Berner-Wägelchen ab um f 70 und gab ihm f 3"42 auf den Kauf. Die 3 Thaler stekte ihnen Anton Büchel heimlich zu während des Schikr [?]. Des folgenden Tages in Montlingen angekommen überliess Joseph Büchel dem Anton Büchel Pferd, Wagen und Geschirr und Stieger gab ihm sein Bernerwägelchen zu kaufen uns stellte ihm einen falschen Schein aus dass er dafür bezahlt worden sei. Adlerwirth Amann kam bald zu der Überzeugung, dass er betrogen worden sei, verfolgte diese Leute und liess dann in Altstätten, wo er den Stieger und A. Büchel antraf die Waren mit Arrest belegen. Nach vorangegangenem Voruntersuch erkannte der kleine Rath unter dem 14. September 1842 den Spezialuntersuch über Stieger und Joseph Büchel. - Letztere bekannte das Betrugsverbrechen offen ein, während ersterer die Fakta zugebend, sich bemühte unter den albernsten Entschuldigungen zu beweisen, dass er nicht die Absicht gehabt habe, den Adlerwirth zu betrügen. Das Kantonsgericht verurtheilte den Stieger den 2ten Februar 1843 in Abänderung der erstinstanzlich Urtheils mit Anwendung von §§ 196, 198, 200 lit c 188, 1 & 2 Saz 27 & 55 lit K cod. crim. § 14 lit b des Strafabänderungsgesetzes vom 7. Februar 1839 zu einem und einem halben Jahre Zuchthausstrafe.
J. Jakob Stieger stammt von wenig bemittelten Landleuten ab, die aber ihre Kinder fleissig zum Besuch der Kirche und Schule anhielten. Nach vollendetem Primarunterricht schickten ihn seine Eltern zu Herrn Kaplan Nik in Oberried, wo er 1 Jahr lang Unterricht in den Anfangsgründen der lateinischen Sprache erhielt. Dann kam er in die Kantonsschule nach St. Gallen für ca 4 Jahre, von welcher Anstalt er dann nach Freiburg ging um auf der Universität daselbst der Jus zu studiren während 2 Jahren. Die schwachen Eltern staunten die Gelehrsamkeit des Sohnes an, liessen ihm frei seinen Willen und opferten ihm in den Bazen auf Kosten der übrigen Kinder welchen sie verdienten. Einiges verdiente er durch Privatunterricht. Dadurch dass er grösstenteils von der Wohltätigkeit Anderer leben musste stumpfte sein Ehrgefühl immer mehr ab, und weil ihm oft das Nothwendige gebrach so war er in der Auswahl der Mittel zur Erwerbung desselben immer weniger strenge. Vom Gemein- und Niedrigdenken ist aber der Schritt zum Gemein- und Schlechthandeln nur klein. So kam er von der Universität zurük, abermals ein trauriges Beispiel wohin blosses Studieren ohne wahre christliche Erziehung und verhehlter Ehrgeiz führen und einer ernsten Warnung für so viele welche unklugerweise annen [?] Knaben ohne eminente Anlagen zum Studiren aufmuntern und dann nur teilweise sie Unterstüzen.
Der Brandstiftung mit seinem Vater Anno 1836 verdächtig, kam er in Spezialuntersuch, wurde [Text abgebrochen]
Beschäftigung:
Stieger mit sehr zarten Fingern in die Anstalt kommend, war ihm jede Handarbeit verhasst, und wirklich bekam er bald offene Finger vom Strohzopfen oder Cabas- [Taschen-] und Sesselflechten, womit man ihn anfangs zu beschäftigen suchte. Später arbeitete er in der Buchbinderei willig und gerne aber nicht in der Voraussicht durch Erlernung dieser Profession einen Erwerbszweig für die Zukunft zu gewinnen.
Betragen:
Der aufgeregte Gemütszustand, mit welchem Stieger in die Anstalt kam, hielt längere Zeit an, und machte ihn durchaus unzugänglich. Er behauptete stets nicht so schuldig zu sein wie man ihn angeschuldigt habe, klagte über erlittene Ungerechtigkeit und schmähte über das Verhörrichteramt. Die immer gleiche ruhige Behandlung, die ihn zu Teil wurde, ohne von seinen Klagen und Verwünschungen irgend welche Notiz zu nehmen, brachte nach und nach eine gewisse innere und äussere Ruhe bei ihm hervor, die mit seinem frühern Benehmen in auffallendem Kontraste war. Er behielt jedoch stets eine grosse Eigenliebe bei, lächelte bei Vorfallenheiten oder ihm gegebenen Ermahnungen gleichsam als sei er über alle diese Dinge erhaben. Über zukünftige Verhältnisse sprach er bis auf die letzte Zeit mit einer Suffisance, die fast unbegreiflich schien, sich verlassend auf seine viele Freude und Gönner, die er im Österreichischen und im Graubündnerland habe und die schor für ihn sorgen und sich seiner annehmen werden, wenn er einmal die Freihait erlange. Seine Ansichten von Moralität und Recht sind eigener Art. Es ist ein Wegweisen der wahrhaft Guten, ein mutwilliges sich Hinwegsezen über die Forderungen der Tugend, als über Spielzeug vorhanden für Kinder und Greise; es ist eine Rechtserklärung, die nach unseren Begriffen ins Zuchthaus führen musse. Täuschen wir uns nicht, so fehlt es ihm an dem Glauben an den sittlichen Wert der Menschen, an dem Glauben an Gott. Un diesen Glauben wieder aufzuwecken, bedarf er einer ernsteren Unglüksschule als die durchlebte und vorzüglich des täglichen Beispiels guter Menschen.

Quelle: Stammbuch der Strafanstalt St. Jakob für die Männer
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