Seuchen und Epidemien

Bezüglich den alten Krankheitsbezeichnunegn siehe 'Alte Krankheiten'. Dort sind zum Teil auch Rezepte (ohne Gewähr!) gegen diese Krankheiten aufgeführt.

Die Pest

Die gefürchtetste der Seuchen war die Pest, welche als Beulen- und als Lungenpest vorkam. Nicht alles, was damals 'Pest' genannt wurde war auch tatsächlich Beulen- oder Lungenpest. Während der Epidemie von 1347 bis 1351 fällt im Rheintal ein Drittel der Bevölkerung der Pest zum Opfer. Die Felder werden nicht mehr bestellt, die Ernten fallen aus. Und auch im Rheintal muss, wie anderswo auch, die jüdische Bevölkerung als Sündenbock herhalten. Zahlreiche Juden werden dabei verfolgt und getötet.

Die Pest-Epidemien wiederholten sich in Abständen von etwa 20 Jahren.

In seinem Hausbuch meldet Stadtammann zu Altstätten, Hans Vogler der Ältere, in den Notizen zum Jahr 1474, dass man in St. Gallen und auch in Altstätten (~ 600 Einwohner) stark an der Pest starb. Über den nächsten grösseren Pestausbruch von 1482 schreibt er: « Item es vieng an zuo sterben jm hoewet zuo Alstetten jn ainem hüsli, was Hansen Wüsten. Darjnn braucht [= brachte] es ain frow, die hiess Ann Blüczin von Tüfen. Da het es och gar vast gestorben und belaibt sy lebendig. Es sturben gar viel junckfrowen, es starb mengen tag 6, 5, 4, 7, 8 menschen, legt man 16 oder 17 menschen jn ain loch. Es lies nit mer dann 4 oder 6 hüser, darus man nit geflochen was, es kam darin. Item es waren wol by 2 hundert menschen geflochen. Item ich kam jn 30 wochen nie jn die statt. Item es starb, als jch verstuond, ob 400 menschen. »

Beim nächsten Pestzug von 1530 und 1531 fielen der Pest im Rheintal etwa 500 Menschen zum Opfer. Verschont blieb einzig der Reichshof Kriessern, die heutige Gemeinde Oberriet. Dass die Pest bei ihnen nicht ausbrach, führten die Bewohner des Reichshofes Kriessern darauf zurück, dass sie – im Gegensatz zu den anderen Rheintalern – katholisch geblieben waren.

1585 starb in Marbach mehr als die Hälfte der Bevölkerung an der Pest. Bereits acht Jahre später brach die Krankheit wieder aus, richtete aber keinen so grossen Schaden mehr an. Beim nächsten Seuchenzug 1594 starben in Thal und Rheineck 3526 Personen und in Evangelisch Altstätten 330. 1610 und 1611 wütete die Pest erneut. Im Rheintal starben zeitweise jeden Tag 30 bis 40 Personen.

1628 und 1629 brach die Pest nochmals aus. Bei der Pest von 1628 und 1629 mussten in Altstätten vier oder fünf Verstorbene in ein Grab gelegt werden. Weil die Gräber nicht genügend tief ausgehoben wurden, war starker Verwesungsgeruch die Luft. Deshalb musste Erde auf den Friedhof geführt und der Friedhof, der damals bei der Stadtpfarrkirche St. Nikolaus lag, aufgeschüttet werden. 1635 suchte der letzte Pestzug dieser Serie das Rheintal heim.

Beim Pestzug von 1666 bis 1668 blieb das Rheintal verschont. Häufig ging die Pest mit Missernten wegen schlechter Witterung, Überschwemmungen oder mit Krieg einher, wenn die Menschen wegen ungenügender Ernährung und schlechter Lebensbedingungen ohnehin geschwächt waren und der Krankheit umso eher erlagen. Deshalb erkrankten häufig auch Minderbemittelte zuerst und viel heftiger an der Krankheit.

Als 1739 in den Donauländern die Pest ausbrach, verabschiedeten die 13 regierenden sowie die zugewandten Ort der Alten Eidgenossenschaft ein gemeinsames Pestmandat. Darin erliessen sie, nachdem sie Gott um seinen Schutz gebeten hatten, Einreise- und Einfuhrverbote für Personen und Waren aus den von der Pest betroffenen Gebieten. Personen aus Gebieten, welche an die Pestgebiete angrenzten, durften nur einreisen und Waren aus solchen Gebieten nur eingeführt werden, wenn amtliche Dokumente bestätigten, dass die Personen und Waren weder aus Orten stammten, wo die Pest wütete, noch durch solche Orte oder Gebiete gereist waren. Zudem war eine Quarantäne von dreissig Tagen an einem gesunden Ort vorgeschrieben. Noch weniger einschränkende Bestimmungen galten für Reisende und Waren aus seuchenfreien Gebieten, aber auch sie mussten Unterlagen mitführen, welche ihnen Seuchenfreiheit bestätigten. Deserteure, Bettler, Landstreicher und Juden hingegen durften überhaupt nicht einreisen. Zulässig war die Einreise zudem nur über genau bezeichnete Grenzübertrittsorte, im Rheintal waren dies Staad, Rheineck, Monstein und Blatten.

Zur Bekämpfung der Pest halfen wohlriechende Kräuter, Aderlass, Abführpillen, Diätvorschriften, das Unterbringen der Kranken in luftigen Zimmern, das Aufschneiden der Pestbeulen, und Amulette aller Art. Wenn nichts half, dann wurde der heilige Sebastian bemüht. Im Alpenrheintal auf beiden Seiten des Rheintals war der heilige Sebastian der grosse Fürsprecher der Gläubigen bei Pestgefahr. Seiner Fürbitte wurde das Erlöschen verschiedener Pestzüge, unter anderem der Justianischen Pest 589 und 590 in der Stadt Rom zugeschrieben. An entsprechend vielen Orten wurden deshalb zu Ehren des heiligen Sebastian Kapellen, Kirchen und Altäre errichtet. Im Rheintal sind als Zeugnisse der Verehrung des heiligen Sebastian bekannt: Bau einer Kapelle in Thal im Jahr 1556, Errichtung einer Sebastianskapelle in Berneck 1486, Einführung des heiligen Sebastian als Kirchenpatron in Balgach um 1521, Erstellung einer Sebastianskapelle in Rebstein 1487 (Vorläufer der heutigen Pfarrkirche), Stiftung einer Mittelmesspfründe in Marbach 1466 zu Ehren des heiligen Sebastian, 1470 Stiftung einer Kaplaneipfründe zu Ehren des heiligen Sebastian in Altstätten, und nicht zuletzt Sebastian als Kirchenpatron in Kobelwald. Auch im Vorarlberg finden sich zahlreiche Zeugnisse für die Verehrung des heiligen Sebastian.

Übrige Seuchen

1796 wüteten im Rheintal die Pocken.

Pocken in Oberriet 1796

Schreiben vom 8. Juli 1796 des evangelisch-reformierte Dekans des Rheintaler Kirchenkapitels (Ausschnitt)

Am meisten tote Kinder hatten Altstätten (169), Berneck (145) und Oberriet (116) zu beklagen.

1918 kamen zu den Kriegsfolgen auch eine schwere Grippe-Epidemie ("Spanische Grippe"). Um Ansteckungen zu verhindern, wurden Versammlungen eingeschränkt, stille Beerdigungen durchgeführt, und sogar Gottesdienste wurden verkürzt oder gar eingestellt.

Spanische Grippe in Oberriet 1918

Bericht der Sanitätskommission vom 8. Oktober 1918: Krankmeldungen innerhalb der Woche vom 29. September bis 5. Oktober 1918.

Im Oberrheintal waren in dieser Woche 103 Neuansteckungen zu verzeichnen.

Im Dezember 1920 brach die Maul- und Klauenseuche aus. Moos, Reahag, Freienbach, Stein und ganz Rüthi waren in kurzer Zeit betroffen. Viele Tiere mussten geschlachtet werden.

2020 wütete das Corona-Virus. Der Bundesrat erneuerte das Pestmandat von 1739. Zudem empfahl Bundesrat Alain Berset: « Bleiben Sie suause! »

 

__________
Erstellt durch Daniel Stieger (letzte Nachführung am 24. September 2024)