Verleumdungsklage

Der Zeitungsartikel

Am 5. Juli 1899 erschien im Luzerner Landbote (Nr. 53) auf Seite 3 in der rechten Spalte der folgende Artikel:

Zeitungsartikel Luzerner Landbote Nr. 53

Oberkirch. (Eing.) Pfui dem Ver-
leumder! Ein Weinhändler, der unserem Kreise
nicht angehört, hatte vor einiger Zeit einen hoch-
angesehenen Beamten unserer Gegend in gemein-
ster Weise verläumdet. Auf gestellte Strafklage
hin musste der traurige Wicht zu Kreuze kriechen.
Bei Anlass der letzten Großratswahlen im Kreise
Oberkirch-Nottwil verbreitete der gleiche Herr
einen Aufruf, der an teuflischer, gehässiger Ver-
leumdung gegen eine andere angesehene Persön-
lichkeit das Menschenmögliche leistete. Wie uns
zuverlässig bekannt ist, verteilt der betreffende
Weinhändler dieses Machwerk jetzt noch. Es ist
das der gleiche Herr, der alle Pfarrhäuser des
Kantons abläuft, sich als konservativ-katholisch
ausgibt, unter Augenverdrehen und süßem Lä-
cheln, "echten Meßwein" anpreist und den Ge-
schäftskatholizismus in so ausgeschämter Weise
praktiziert, wie es wohl selten beobachtet werden
kann. Zu Hause beschäftigt er sich dann damit,
konservative Ehrenmänner mit dem teuflischen
Gifte der Verläumdung zu verfolgen. Wenn mir
eine giftige Kröte an die Haustüre schleicht, werfe
ich sie mit einem Fußtritt in ihre Pfütze zurück.
Machts nach!

Urteil

Dieser Artikel löste bei Johann Fischer nicht gerade eitel Freude aus. Er verklagte den Autoren - den Fürsprech Josef Hinnen - auf 5000 Franken als Entschädigung.

Das Urteil wurde am 23. Juli 1900 gefällt. Die Ehre des Klägers Johann wurde gerichtlich gewahrt und die Ehrenkränkung wurde formell aufgehoben. Die geforderten 5000 Franken wurden ihm indes nicht zugesprochen. Stattdessen musste der Beklagte (Josef Hinnen) eine Busse von 40 Franken entrichten, zwei Publikationen (je eine im Kantonsblatt und im Luzerner-Landbote) bezahlen sowie sämtliche Prozesskosten übernehmen (total 1237.35 Franken).

Das unten stehende Urteil ist im Staatsarchiv Luzern unter der Identifikation 'XF 14/37' auf den Seiten 434 bis 441 zu finden.

Übrigens: Josef Hinnen (hier der Beklagte) war vermutlich der Verteidiger im Fall 'Wütschert'.

Urteil, p. 434

2:

- In Injurienstreitsachen -

- des -

Johann Fischer, Weinhändler, Sursee, vertreten durch Hrn. Für-
sprech Albisser, Luzern

- gegen -

Fürsprech Jos. Hinnen, Redaktor des "Luzerner Landbote" in
Sursee

hat das Gericht

über die unterm 26. Mai a.c. gerichtlich gestellte u. von
den Parteien anerkannte

Rechtsfrage

hat sich der Beklagte der Verläumdung u. Beleidigung des

Urteil, p. 435

Kägers schuldig gemacht od. nicht & bejahendenfalls, wie ist er zu
bestrafen u. welche Satisfaktion hat er zu leisten u. hat Beklagten an
Kläger als Entschuldigung den Betrag v. Fr. 5000.- plus Zins à 5%
seit dem Friedensrichtervorstand zu bezahlen oder nicht, od.
in wie weit?

Nachdem sich aus den Akten ergeben:

1. No. 53 des "Luzerner Landbote" herausgegeben unterm 5. Juli 1899
brachte mit der Überschrift "Oberkirch. (: Eing. :)" folgenden Artikel:
"Pfui dem Verleumder! Ein Weinhändler, der unserem Krei-
se nicht angehört, hatte vor einiger Zeit einen hochangesehe-
nen Beamten unserer Gegend in gemeinster Weise verläum-
det. Auf gestellte Strafklage hin musste der traurige Wicht zu
Kreuze kriechen. Bei Anlass der letzten Großratswahlen im
Kreise Oberkirch-Nottwil verbreitete der gleiche Herr einen
Aufruf, der an teuflischer, gehässiger Verleumdung gegen
eine andere angesehene Persönlichkeit das Menschenmögliche
leistete. Wie uns zuverlässig bekannt ist, verteilt der betreffen-
de Weinhändler dieses Machwerk jetzt noch. Es ist das der gleiche Herr,
der alle Pfarrhäuser des Kantons abläuft, sich als konservativ-katholisch aus-
gibt, unter Augenverdrehen und süßem Lächeln, "echten Meßwein"
anpreist & den Geschäftskatholizismus in so ausgeschämter Weise
praktiziert, wie es wohl selten beobachtet werden kann. Zu Hause
beschäftigt er sich dann damit, konservative Ehrenmänner mit
dem teuflischen Gifte der Verläumdung zu verfolgen. Wenn mir
eine giftige Kröte an die Haustüre schleicht, werfe ich sie mit
einem Fußtritt in ihre Pfütze zurück. Machts nach!"

      Diese angeführten Zeilen, die ziemlich energisch gegen ei-
nen dem Publikum allerdings nicht genannten u. lt. Korresp.
aus Oberkirch diesem Kreise nicht angehörigen Weinhändler ge-
richtet waren, vermochten unter der Bevölkerung von Sursee &
Umgebung den Stachel der Neugierde zu wecken. Infolge Un-
terlassung einer Namensnennung wurde dieser Artikel bald
mit dem, bald mit diesem der Weinlieferanten unserer
Umgebung in Beziehung gebracht.

2. Um vorzubeugen daß die in No. 53 des "Luzerner Landbote"
gemachten Vorwürfe u. Angriffe nicht länger irrtümlicher-
weise von den Lesern besagten Blattes auf den einzigen Wein-
händler der Gemeinde Oberkirch angewendet wurden, erschien
dann in No. 56 desselben Blattes folgende Erklärung:

Urteil, p. 436

"Oberkirch, die Redaktion erklärt hiermit, daß die Einsendung in
No. 53 dieses Blattes vom 5. Juli abhin, betreffend der Zeilen u. zu ei-
ner Weinhändler, den Hrn. Weinhändler Schnÿder-Jurt in Oberkirch
gar nicht berührt u. er nicht getroffen sein kann, was ja sehr deut-
lich daraus hervorgeht daß der Einsender von einem Weinhänd-
ler redet, "der unserem Kreise nicht angehört."

      Durch diese Erklärung war der Verdacht von einem Interessenten
abgelenkt u. dadurch der Kreis derer, welche in Beziehung mit dem
inkriminierten Artikel hätte gesetzt werden können, verengt.

3. Ein in der Politik sich stark betätigender Weinhändler, besonders bei
den letzten im Frühjahr 1899 stattgehabten Großratswahlen bei de-
ren Anlasse einem Vertreter des Großen Kreises Oberkirch-Nottwil
sowohl durch Agitation, wie auch durch Aufstellung eines Gegenkan-
didaten einige Opposition entgegengebracht wurde war lt. über-
einstimmenden Projektionen der Zeugen Dr. Käppeli, Schmid, Hed-
iger u. Heß der heutige Kläger, welcher gestützt auf diese Tatsache das
"Eingesandt" sofort auf sich bezog u. daher auf gerichtlichem Wege gegen
solche Angriffe Schutz suchte.

4. Da lt. Memorandum vom 14. Juli 1899 sich Fürsprech Hinnen, Redak-
tor des "Luzerner Landbote" weigerte den Vertreter des Klägers,
Fürsprech Albisser mit dem Namen des Verfassers der Korrespon-
denz aus Oberkirch bekannt zu machen, wurde unterm 27. Juli
beim Friedensrichter Sursee gegen den verantwortlichen Redaktor
des "Luzerner Landbote" als Beklagten ein Friedensrichtervorstand
angesetzt, u. da ein Vergleich nicht zu stande kam, dem Kläger
der Weisungsschein ausgestellt.

5. Die Person des durch inkriminierten Artikel Angeschuldigten wird
dadurch mit Kläger in Identität gebracht, daß lt. klägerischen
Zeugenansinnen die Frage, ob der in No. 53 des "Luzerner Land-
bote" publizierte "Eingesandt" aus Oberkirch, allgemein auf Wein-
händler Fischer bezogen wurde, von den klägerischen Zeugen
Hübscher (: I2 :) Scherer (: II2 :) Käppeli (: III2 :) Schmid (: IV2 :) Hediger (: V2 :)
Heß (: VI2 :) Willimann (: VII2 :) Galliker (: VIII2 :) im bejahenden Sinn
beantwortet wurde.

6. Er ist aber, da Verfasser des genannten Artikels es vermeidet, ei-
nem Namen zu nennen, auch eine der unter Motiv 5 bejahten
Frage entgegengesetzte Ansicht nicht ausgeschlossen, sondern ganz
gut möglich & denkbar, daß letzteres auch wirklich der Fall war,
ergibt sich aus den beklagtischen Zeugenansinnen u. dem vor-

Urteil, p. 437

der Hrn. Schnÿder-Jurt, nach Erscheinen der eingeklagten Korrespon-
denz. Der beklagtische Zeuge Gerichtsschreiber Müller in Münster be-
wirkte ja geradezu, dass Schnÿder-Jurt gestützt mit dem in Mün-
ster umlaufenden Gerücht, als sei er (: Schÿder :) der im "Luzerner
Landbote" gebrabdmarkte Heuchler bei der Redaktion die Erklärung
erlangte, daß er mit dem inkriminierten "Eingesandt" nicht in
Communität zu bringen sei (: Vide beklagtische Gegenansinnen &
No. 56 des "Luzerner Landbote" :).

7. Kläger behauptet nun unter III. seiner gestellten Klage, daß
die Korrespondenz von Verläumdung & Beleidigung gesuchtester
Art strotze; daß ferner jeder Satz eine Injurie, daß das Men-
schenmöglichste gehäßiger Verleumdung hier geleistet sei. Zur
Erhärtung seiner gegen Beklagten erhobenen Anklage wegen
Verläumdung u. Beleidigung werden aus dem Luzerner Land-
bote-Artikel einige Stellen citirt, welche Kläger als einen Verr-
leumder u. Heuchler bezeichnen u. die des weitern bezweifeln,
daß er den Kunden reellen Wein offeriere.

      Beklagter trat den Beweis der Wahrheit für die gemeinsten An-
schuldigungen dem Kläger gegenüber nicht an; was daraus zu er-
klären ist, daß von beklagtischer Seite dem Kläger jede Aktivle-
gitimation zum Prozess abgesprochen wurde, mit der Behauptung,
daß unter dem betreffenden Weinhändler nicht Kläger zu ver-
stehen sei.

8. Kläger fühlt sich durch die gemachten Vorwürfe u. Anschuldigun-
gen von denen er weil sie seiner Ansicht nach auf seine ei-
gene Person Bezug haben, keine auf sich berufen lassen kann,
an seiner Ehre auf das Empfindlichste angegriffen u. glaubt sich
durch eingeklagte Zeilen, denen er öffentlich schädigenden Char-
akter beilegt als Kaufmann materiell schwer geschädigt. Er ver-
langt nun daher, daß ihm für persönlich u. vermögensrechtlich er-
littenen Schaden eine Entschädigung im Betrage v. Fr. 5000.-- gut-
gesprochen werde, welche Summe er mit Rücksicht auf die Schwe-
re der Injurie u. den Umfang der klägerischen Geschäfte als nicht
zu hoch gegriffen betrachtet.

9. Nebst genannter Schadenersatzsumme wird der fernern Publikation
des Urteils auf Kosten des Beklagten im Kantonsblatt, Unter-
land Tagblatt, Luzerner-Tagesanzeiger & Luzerner Landbote,
verlangt mit der Motivierung, daß die Tendenz des Artikels
mit seiner eminent Kreditschädigenden Spitze u. die Begehung

Urteil, p. 438

durch die Preße eine solch weitgehende Veröffentlichung erheische.

- Zu Erwägung gezogen: -

1. Im vorliegende Falle ist Kläger gestützt auf die Ausführungen
über die inkriminierten Zeilen des "Luzerner Landbote" berechtigt,
eine Klage wegen Verleumdung u. Beleidigung anzustellen.
Die Korrespondenz ist so abgefasst, daß ihr der injurirse (?) Charakter
nicht abgesprochen werden kann u. darf. Daß der Verfasser sich
des Deliktes der Verleumdung gemäß Art. 90 des P.St.G. schuldig
gemacht hat ist nicht in Abrede zu stellen. Beklagter sagt in sei-
nem inkriminierten Artikel, Kläger habe bei Anlaß der letzten
Großratswahlen ein gegen einen hochangesehenen Beamten
gerichtes, von Verleumdung strotzendes Pamphlet herumgeboten
u. beschäftige sich zu Hause, Ehrenmänner mit dem Gifte der Ver-
leumdung zu verfolgen; des fernern wird gegen Kläger der Vor-
wurf der Heuchelei, Kriecherei u, der Verstellung des Charakters im Ge-
schäftsgebahren erhoben. Diese der klägerischen Partei vorgeworfenen
Handlungen charakterisieren sich entschieden als unehrenhafte & sind
geeignet, das dem Ageschuldigten notwendige Vertrauen seiner
Mitbürger zu entziehen. Da der Beklagte es unterließ, den Beweis
der Wahrheit für die gemachten Behauptungen anzutreten, so ist
die für das Delikt der Verleumdung, durch das Strafrecht augestell-
te Norm vorhanden.

      Betreffender Artikel ist aber nicht nur verleumderisch, sondern
auch beleidigender Natur. Auch gegen Art. 93 des P.St.G. aslo we-
gen Beleidigung, hat sich der Verfasser der eingeklagten Korrespon-
denz verfehlt, wenn in Berücksichtigung gezogen wird, daß die
Ausdrücke "trauriger Wicht", "Pfui dem Verleumder" u. der Ver-
gleich mit einer giftigen an die Haustür heranschleichenden
Kröte, welche er verdient, mit einem Fußtritt in die Pfütze
geworfen zu werden, sich in der Tat als öffeltliche Schmähungen
weil durch die Presse begangen, u. widerrechtliche Beantastung
der Ehre eines Andern qualifizieren. Schon die Einkleidung oder
Form der inkriminierten Zeilen läßt die beleidigende Absicht
deutlich zu Tage treten, indem mit den gewählten Ausdrücken
der nicht bei der Verleumdung, wohl aber bei der Beleidigung
geforderte animus injuriandi stark hervortritt. Es ist so-
mit Beklagter beider Vergehensarten wegen strafbar.

2. Was die Entschädigungsforderung anbetrifft, so erscheint eine
solche nicht begründet. Hiebei sind verschiedene Motive in

Urteil, p. 439

Berücksichtigung zu ziehen, daß eingeklagte Korrespondenz, weil
eine Namennennung vermieden ist, von dem Lesekreis des
Luzerner-Landbote nicht nur mit Fischer allein in Beziehung ge-
bracht worden ist, wurde schon früher festgestellt. Die Erwägung
nun, daß da wo man mehr mit den Verhältnissen von Sursee
bekannt war, die eingeklagten Zeilen von der Bevölkerung
mit Kläger in Einklang gebracht wurden, daß aber in den Or-
ten wo den Lesern des "Luzerner-Landbote" eine örtliche und
speziell politische Kenntnis mehr oder weniger abging, das
inkriminirte "Eingesandt" bis zu der in Nr. 56 genannten Blat-
tes ergangenen Erklärung auf denjenigen Weinlieferanten
von Sursee's Umgebung bezogen wurde, der sich am betreffen-
den Orte einer größeren Kundschaft erfreut, ist von eminenter
Wichtigkeit bei Beurteilung des Schadens, der durch betreffenden
Artikel den ein Weinhandel sich betätigenden Kaufleute v.
Sursee soll zugefügt worden sein. Wenn zur Stellung & Gutsprech-
ung nur der Nachweis zu leisten wäre, daß Kläger im con-
creten Falle von einer bestimmten Bevölkerungszahl als der An-
gegriffene gehalten wurde - also die Erbringung des Beweises
eines wirklichen materiellen Schadens absolut überflüßig wä-
re - so müßte Schnÿder-Jurt gerade so gut wie dem Kläger
die Berechtigung zugesprochen, eine Schadensersatzklage ge-
gen den Luzerner-Landbote zu stellen, da ja Schnÿder nicht so
fest in Sursee, als vielmehr in Münster, wo er ausgedehnte
Kundschaft zu verzeichnen hat, für den gebrandmarkten Wein-
lieferanten gehalten wurde.

      Abgesehen davon ist es Regel, daß Entschädigungen in Ju-
jurienprozessen nur in ganz ausnahmsweisen Fällen ge-
sprochen wurden - vide Schnider u. Firke (?) Commentur Art. 55 O.
R. Anm. 25 - die Klage auf Wiederherstellung verletzter Ehre darf
nicht den nakten Charakter einer Bereicherung haben u. das wäre
aber der Fall, wenn dem Kläger eine nur einigermaßen er-
hebliche Entschädigung & gar in dem vom Kläger verlangten
Betrage von Fr. 5000 gesprochen würde. Er muss zut Gutsprechung
einer klingenden Entschädigung vor allem ein Kausalzusam-
menhang zwischen dem objektiven ERfolge der Verletzung per-
sönlicher Verhältnisse u. dem Verschulden des Beklagten bestehen
(: vide zit. Commentur zu Art 55 O.R. Anm. 3 :).

      Laut Aussagen sämtlicher klägerischer Zeugen ist der

Urteil, p. 440

Luzerner-Landbote nicht ein Blatt mit verhältnismässig großer ter-
ritorischer Verbreitung, er präsentiert sich tatsächlich nur als Lokalblatt
& hat daher auch nicht die Bedeutung wie Central u. in Hauptstädten
erscheinende Tagesblätter v. Einer Zeitung von lokalem Charakter ist
Zufügung von Schaden einem an dem Orte domizilierter Kauf-
mann wo ein solches Lokalblatt zur Ausgabe gelangt, weniger
denkbar, weil die Leute, die am gleichen Orte wohnen, sich selbst
ihre Überlegungen bilden u. man also nur von einer Beein-
flußung auswärtiger Kreise durch die Presse sprechen kann.

      Die Entstehung ders inkriminierten Artikels datirt zurück in
die politisch sehr bewegten Zeiten der Großratswahlen unseres Kan-
tons; diese Korrespondenz verdankt also ihr Werden einer Zeit, wo
die politischen Parteien, sei es um einem nicht genehmen Kan-
didaten des Gewogensein der Wählerschaft zu entziehen, sei es
um eine gegnerische Wahloperation mit scharfer Feder zu kriti-
sieren, beim Verfassen von Zeitungsartikeln wie auch in Ver-
handlungen nicht mit jener Sorgfalt in der Wahl der Ausdrücke
zu Werke gehen, die nun in ruhigen Zeiten auch vom Gegner
verlangen darf u. kann. Das Luzernervolk ist sich während den
sturmbewegten Wahltagen an scharfe u. energisch gegen den Geg-
ner vorgehende Zeitungspolemiken etwas gewohnt u. es ist sich-
er noch niemandem eingefallen die Angriffe des Landboten so
allzu tragisch aufzunehmen, daß er nach Kenntnisnahme die-
ses inkriminierten Artikels mit Kläger jeden kundschaftlichen
verkehr abgebrochen hätte. Es ist also auch eine geringere Schädigung
des klägerischen Geschäftes aus diesem Grunde kaum denkbar.

3. In der Tat macht es den Eindruck, daß wenn Kläger eine Ent-
schädigung von Fr. 5000 verlangt, ohne dabei auch nur den gerin-
sten Nachweis eines Kundenrückganges zu erbringen, er das-
selbe einerseits bloß der Appellation ans hohe Bundesgericht hal-
ber (: vide Klagenanbringen IX :) u. anderseits um die Sache aufzu-
bauschen u. dem Prozesse eine unverdiente Bedeutung zu geben,
getan hat. Damit schießt er offensichtlich über das Ziel u. den Zweck
eines Ehrbeleidigungsprozesses hinaus.

      Da § 97 des P.St.G. die Veröffentlichung eines Urteils vorsieht,
so muß, wenn auch nicht in vollem Umfange, dem Begehren
der Publikation im Prinzip doch entsprochen werden. Bei Veröf-
fentlichungen von Urteilen in Injurienstreitsachen beschränkt sich
nach der Gerichtspraxis die Publikation auf das Kantonsblatt u.

Urteil, p. 441

bei Prozessdelikten wird noch die Mitteilung des Urteils auch in jenem
Blatte gestattet, welches den eingeklagten Artikel gebracht hat und
zwar gewöhnlich nur im Dispositiv.

4. Der Ausgang des Prozesses rechtfertigt die Anwendung des § 311
C.R.N. im Kostenpunkte v.f. die Überbindung sämtlicher Kosten
dem Beklagten, indem auch durch Abweisung der Entschuldig-
ungsforderung der strafrechtliche Charakter dieses Prozesses nicht
gegeben wurde.

      Demnach- In Anwendung des § 90 Ab. 1 & 93 lit b des N.
St.G. & § 311 des O.R.N.

zu Recht erkennt & gesprochen

1. Beklagter habe sich der Verleumdung u. Beleidigung des Klägers
schuldig gemacht & sei daher zu einer Geldbusse v. Fr. 40 verurteilt.

2. Die Ehre des Klägers sei gerichtlich gewahrt & die Ehrenkränkung
aufgehoben.

3. Kläger sei mit seiner Entschädigungsforderung abgewiesen.

4. Kläger sei berechtigt dieses Urteil im Dispositiv innert Monats-
frist nach dessen Rechtskraftbeschreitung je einmal im "Kantons-
blatt" & "Luzerner-Landbote" auf Kosten des Beklagten zu pub-
lizieren.

5. Beklagter habe sämtliche Prozesskosten zu bezahlen & von daher dem
Kläger inbegriffen von selbem vorgeschossene u. noch vorzuschieß-
ende Judizialien im Betrage v. Fr. 145.30 zu vergüten

Fr. 588.65

6. Die Kostennote des klägerischen Anwaltes, Hrn. Fürsprech Al-
bisser sei mit Inbegriff von Fr. 124.25 Auslagen festgesetzt auf

Fr. 504.35

7. Dieses Urteil sei den Parteien schriftlich zuzustellen u. dem titl.
Statthalteramte Sursee zum Strafvollzuge schriftlich mitzuteilen
Kosten lt. Manual

Fr. 144.35

 

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Last update by Daniel Stieger (29 December 2006)